Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Zu viele Frauen wollen nicht Mutter werden, wird in den Zeitungen beklagt. Und manche schreiben, das liegt nicht an fehlenden Krippenplätzen, auch nicht an zu wenig Kindergeld oder zu wenig Erziehungsurlaub, sondern an einem Wort. Das Wort heißt „Rabenmutter“.

Frauen, die versuchen, Beruf und Kinder unter einen Hut zu kriegen, spüren diesen Vorwurf, heißt es. Sie merken, dass viele sie für eine Rabenmutter halten. Eine die sich nicht genug um ihre Kinder kümmert. Dann lieber gar nicht Mutter werden, finden anscheinend viele Frauen.
Rabenmütter sind Frauen wie ich. Frauen, denen neben der Familie auch noch andere Dinge wichtig sind. Die sich also nicht ausschließlich oder jedenfalls angeblich nicht genug um ihre Kinder kümmern.
So gesehen wäre jene allein erziehende Frau aus Zarpath, von der die Bibel erzählt, eine Rabenmutter (1. Kö 17) Die Frau war Witwe und lebte allein mit ihrem Sohn. Die Zeiten damals waren schlecht, es herrschte Hungersnot. Die Frau hatte fast nichts mehr für sich und ihr Kind. Da kam ein ausgehungerter Fremder vorbei. Der bat sie, ihm von ihren letzten Vorräten abzugeben. Zuerst wolle sie nicht. Sie hatte doch nur noch ein bisschen Mehl und etwas Öl, das war alles. Das wollte sie ihrem Sohn lassen. Schlimm genug, dass sie nicht mehr für ihn tun konnte. Welche Mutter würde das nicht verstehen. Aber dann gab sie dem Fremden doch. Der hatte schließlich gar niemanden, der für ihn sorgte. Und er hatte ihr gesagt: Lass auch mich leben! Ich bin sicher, dann wird es für uns alle reichen. Da hat sie ihm ein Fladenbrot gebacken von ihrem letzten Mehl und Öl. War sie also eine Rabenmutter? Eine, die nicht genug für ihren Sohn tat?
Die Mutter damals erlebte aber: ihr Mehl und ihr Öl reichten tatsächlich auch noch am nächsten Tag und am übernächsten und bis zum Ende der Hungersnot. Sie erlebte: Gott selbst sorgt dafür, dass es für alle reicht, wenn Menschen nicht nur an sich selber denken..
War die Frau nun eine Rabenmutter? Vielleicht hat sie einfach begriffen, dass zum Leben mehr gehört als behütetes Familienleben? Dass Kinder nur behütet aufwachsen können, wenn auch um die Familie herum die Welt in Ordnung bleibt?
Im Lexikon habe ich übrigens gefunden, dass Raben besonders anpassungsfähige und intelligente Tiere sind. Ihre Jungen verlassen das Nest sehr früh, noch bevor sie fliegen können. Aber die Elternvögel füttern die Jungen noch einige Wochen weiter und warnen ihre Jungen und schützen sie vor Feinden.
Wenn ich mir das alles überlege, bin ich ganz gern eine Rabenmutter.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=1310
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