Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Jeder Weg hat ein Ziel - so ist das ja meistens. Bleibt die Frage: Zu welchem Ziel bin ich denn unterwegs? Wo will ich überhaupt hin? Im Laufe eines Lebens ändern sich auch die Wege und mit ihnen die Erfahrungen. Der Horizont der Kinder und der der Jugendlichen öffnet sich. Und ich hoffe, dass der Horizont im Lauf der Jahre weiter wird. Entsprechend wechseln die Wege, die ich gehe. Durch meinen Beruf als Pfarrer haben mich meine Wege zu den unterschiedlichsten Menschen geführt mit ihren Erfahrungen. Ich bin Menschen begegnet, die wegen eines schweren Schicksalsschlages ihren Glauben verloren haben. Und ich bin Menschen begegnet, die zum Glauben gefunden haben, wieder gefunden haben. Nach über 40 Dienstjahren kann ich festhalten: Ich musste von so manchen Vorhaben absehen. Vermeintlich sichere Positionen habe ich aufgegeben - auch theologische Positionen. Einige Freundschaften sind zerbrochen, neue Freundschaften sind entstanden. Ich habe mehr Fragen als Antworten. Ich bin kritischer geworden. Hoffentlich bin ich auch geduldiger geworden und toleranter - denn die Menschen sind sehr verschieden in ihren Ansichten und die Weltverhältnisse sind kompliziert und vielschichtig. Ich habe eingesehen, es gibt nicht nur ein großes Ziel, es gibt auch Zwischenziele, kleinere und größere Ziele.Mit dem Wort „Weg" verbinde ich auch das Wort „Wagnis". Wagnis, weil ich den Weg, den ich gehe, nicht einfach kenne. Er liegt nicht offenkundig vor mir. Ich muss das Wagnis eingehen und: gehen. Neulich habe ich ein Buch gelesen mit dem Titel: „Geh und du wirst sehen" * - genau das ist es. Wenn ich als Christ meinen Weg gehen möchte, dann habe ich den nicht ein für allemal gefunden. Und ich weiß, wie schwach mein Glaube und wie wenig überzeugend mein Leben als Christ auch sein kann. Ich muss ein Leben lang weitergehen, und das heißt für mich auch: suchen und zweifeln, hören und schauen, fragen und etwas wagen. Dabei habe ich mich entschieden, mich Jesus anzuvertrauen, der sich selbst bezeichnet als „der Weg und die Wahrheit und das Leben". (Johannes 14,6)  Jesus ist für mich der Weg, der zu Gott führt. Ein gangbarer Weg, weil er menschlich ist. Ein schöner Weg, weil er in die Freiheit führt.

 *  Michael Albus, Geh und du wirst sehen - Religion ist Erfahrung, Butzon & ercker, Kevelaer 2012 
Lesenswert auch: Rudolf Hagmann (HG.), Ich bin ganz Weg - Pilgernd unterwegs,  Verlagsgemeinschaft topos plus, Kevelaer 2011

https://www.kirche-im-swr.de/?m=13027
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