SWR3 Gedanken

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Ein Kind zu verlieren, es gibt wohl kaum etwas Schrecklicheres. Die Bibel erzählt von Adam und Eva, den ersten Menschen der biblischen Geschichte. Schon ihnen ist das passiert. Da war das Leben im Paradies schon lange zu Ende. Adam und Eva waren erwachsen geworden, haben eine Familie gegründet. Ein Familienleben beginnt mit all seinen Problemen und Schwierigkeiten, aber auch den schönen Momenten.
Kain und Abel sind die Söhne von Adam und Eva. Und die beiden verstehen sich überhaupt nicht. Neid, Missgunst, Eifersucht, ja Hass ist zwischen ihnen. Die Eltern werden sich gefragt haben, wie es dazu gekommen ist.
Und dann passiert der Alptraum: Ein Sohn stirbt, erschlagen vom anderen Sohn.
„Wir müssen über Kevin reden" heißt ein Buch von Lionel Shriver, das letztes Jahr verfilmt wurde, mit Tilda Swinton in der Hauptrolle, in der Rolle der Mutter. Der Film beschäftigt sich mit der Frage der Schuld, wie sie sich Eva damals und die betroffenen Mütter wohl auch heute noch stellen: Waren sie schuld, dass ihr Sohn zum Mörder wurde? War es die Gesellschaft? Das Schulsystem? Bestimmte Lehrer? Freunde? Bekannte? War der Vater schuld? Oder die allgegenwärtigen Ballerspiele, die Filme voller Gewalt?
Und immer wieder die Selbstvorwürfe: Sie als Mutter trage doch letztendlich die Schuld.
Über und unter diesem Suchen nach Antworten ist die Trauer allgegenwärtig, die Trauer um die Toten, die Trauer um das Geschehene, die Trauer um die Tochter - getötet vom eigenen Bruder.
Die Bibel schweigt dazu, was weiter mit Eva geschieht, wie sie die Katastrophe verarbeitet. Gott verhindert das Schreckliche nicht, aber er ist mit den unzähligen Müttern und Vätern, die ein Kind verlieren, er ist mit alle den Müttern und Vätern, deren Kind unfassbares Unheil anrichtet - und die damit leben müssen.

1. Mose 4,1ff.
Margot Käßmann, Mütter der Bibel; Verlag Herder GmbH 2010.

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