SWR1 3vor8

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Unsere Angst war wie weggeblasen - so haben die Jünger Jesu wohl diesen Abend erlebt. Da sitzen sie hinter verschlossenen Türen, voller Angst, dass ihnen das gleiche Schicksal blühen könnte wie Jesus - und plötzlich ist er bei ihnen. Er, von dem sie doch wissen, dass er tot ist. Jesus ist da, lebendig, und er tut etwas Eigenartiges: er pustet sie an. Die Bibel drückt das vornehmer aus. Da heißt es: er hauchte sie an und sagte: „Empfangt den Heiligen Geist." Im Johannesevangelium steht diese Szene, aufgeschrieben vermutlich zwischen 90 und 100 nach Christus und davor schon lange mündlich weitererzählt. Weil die Menschen nicht vergessen können und nicht vergessen wollen, was sie nach dem Tod Jesu erlebt haben. Zuerst ihre Angst. Sie haben sich eingeschlossen, verkrochen. Kaum zu atmen gewagt. Keine Luft mehr gekriegt. Und: Jesus ist bei ihnen in ihrer Angst. Er überwindet ihre Schlösser und Türen. Er atmet mit ihnen dieselbe angsterfüllte Luft. Gibt ihnen dann von seinem Atem. „Empfangt den heiligen Geist", sagt er dazu, und das bedeutet: in Euch ist göttlicher Atem. Am Anfang der Bibel steht übrigens etwas Ähnliches, als Gott den Menschen erschaffen hat. „Und Gott blies in seine Nase den Lebensatem. So wurde der Mensch zu einem lebendigen Wesen." heißt es da. Gottes Atem macht den Menschen lebendig. So haben es die Jünger nach Ostern also empfunden: Daß ihnen wieder neu Leben eingehaucht wird, Leben, das von Gott kommt. Und dass sie etwas Göttliches in sich tragen.
Das klingt alles ziemlich abgehoben. Ich hätte es gern genauer und handgreiflicher. So wie es die Künstler darstellen: Jesus, der strahlend aus dem Grab steigt, der Tote an der Hand nimmt und wieder lebendig macht. Das Johannesevangelium ist hier viel bescheidener, und ich meine auch realistischer. Hier erzählen Menschen eine Erfahrung weiter. Die Erfahrung: Was Jesus für uns gewesen ist, das ist mit seinem gewaltsamen Tod nicht zu Ende. Wir sterbliche, oft angsterfüllte Menschen dürfen aufatmen. Und glauben, dass wir bei jedem Atemzug mit Gott verbunden sind.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=12876
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