Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

In einem Kalender habe ich eine Geschichte gefunden, die ich ihnen heute Morgen vorlesen möchte. Sie stammt von einer Südamerikanerin und erzählt folgendes:
„Eine Indianerin pflegte meiner Mutter stets ein paar Rebhuhneier oder eine Handvoll Waldbeeren zu bringen. Meine Mutter sprach kein Araukanisch mit Ausnahme des begrüßenden „Mai-mai", und die Indianerin konnte kein Spanisch, doch sie genoss Tee und Kuchen mit anerkennendem Lächeln. Wir Mädchen bestaunten die farbigen, handgewebten Umhänge, von denen sie mehrere übereinander trug. Wir wetteiferten bei dem Versuch, den  melodischen Satz zu behalten, den sie jedes Mal zum Abschied sagte. Schließlich konnten wir ihn auswendig, ein Missionar hat ihn uns übersetzt: „Ich werde wieder-kommen; denn ich liebe mich, wenn ich bei euch bin". (Legende, in: Der andere Advent, Hamburg 2007 )
Dieser letzte Satz: „Ich werde wiederkommen, denn ich liebe mich, wenn ich bei euch bin"...lässt mich aufhorchen. Da höre ich als Grund fürs Wiederkommen-wollen nicht, „weil ihr so nett seid" oder „weil es so schön bei euch ist"...sondern es heißt ..."denn ich liebe mich, wenn ich bei euch bin". 
Klar schwingt in diesem Satz mit, dass es der Indianerin einfach wohl bei diesen Menschen ist. Aber schön finde ich, dass sie klar ausspricht, da ist es mir wohl - mit mir selber. Da mag ich mich. Mehr noch - ich liebe mich!  Ihr gelingt etwas von dieser Liebe zu sich selbst, zu der auch Jesus in seinem Gebot von der Nächstenliebe ermutigt, wenn er sagt: „Liebe deinen nächsten wie dich selbst." Doch wie oft ist das gar nicht so einfach, mich selbst zu lieben oder mich wenigstens Sein-Lassen-Können, wie ich bin? Und wie oft kann ich mich selbst nicht leiden? „Ich werde wiederkommen, denn ich liebe mich, wenn ich bei euch bin" Dieser Satz regt dazu an darüber nachzudenken, wo gibt es Orte, Menschen, bei denen ich mich wohl fühle, wohl fühle auch mit mir? Wo kann ich gut sein? Wo zieht es mich immer wieder hin? Ich glaube nicht, dass die Geschichte zur Selbstverliebtheit animieren möchte. Es ist wohl eherdie natürlicheGastfreundschaft, die spürbareAnerkennung, und der Versuch, ihre Sprache zu lernen was dazu beiträgt, dass die Indianerin sich dort selbst lieben kann. Und so stellt sich für mich die Frage auch andersherum: Wodurch kann ich jemand das Gefühl geben, sich in meiner Gegenwart wohl zu fühlen? Mehr noch, sich selbst zu lieben?

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