Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

„Ach, ich mache halt meine Arbeit." Michael hat das gesagt. Ich hatte ihn lange nicht gesehen. Neulich habe ich ihn zufällig bei einem Konzert getroffen und gefragt, wie es ihm geht. Es gab Schwierigkeiten im Beruf, erzählt er. „Aber ich kann nicht klagen", sagt er dann, „ich habe schöne Zeiten gehabt. Und jetzt mache ich halt meinen Job. Aber ich habe Freude am Leben." Da war die Pause zu Ende und ich konnte nicht weiter fragen. Aber sein Lächeln wirkte ganz entspannt.
Beim Nachhausegehen fiel mir ein anderer Mann ein. Den kenne ich nicht persönlich, nur aus der Bibel. Petrus, der Jünger von Jesus. Auch er hatte interessante Zeiten gehabt, unterwegs mit Jesus. Aber dann war Jesus hingerichtet worden. Und für Petrus war alles nur noch Vergangenheit. Er konnte gar nichts dafür. Jetzt gab es keine Aufgabe mehr für ihn. Da ging er zurück an den See, zu den Kollegen, mit denen er schon früher als Fischer gearbeitet hatte.
Die Bibel erzählt(Joh 21, 1-14), wie das war. Die Männer sitzen am Ufer. Ich glaube nicht, dass sie geredet haben. Wenn man die besten Zeiten hinter sich hat, was gibt es da noch zu reden? Da wird man nicht gern gefragt: Und, wie geht es dir?
Ich gehe fischen, sagt Petrus da. Er hätte wohl auch sagen können: „Jetzt mache ich halt meine Arbeit". Und dann haben sie nichts gefangen. Auch das noch. Wie soll einem so ein Job Freude machen, wenn er keinen Ertrag bringt!
Da steht ein Mann am Ufer, als sie zurück kommen. Der fragt sie: „Habt ihr nichts zu essen?" Der weiß genau, was los ist. Der merkt sofort: So kann man nicht leben. Und was tut er? Er hat ein Feuer gemacht, brät Fische darauf, Brot hat er auch. Und er lädt die müde gewordenen Fischer zum Essen ein. Obwohl sie gar nichts gefangen haben, er hat etwas für sie, was ihnen neue Kraft gibt. Etwas, wovon man leben kann. Wenn man nicht selber für sich sorgen kann, dann braucht man einen anderen, der einem Kraft gibt.
Die Bibel erzählt: Das war Jesus, der Auferstandene, der da am Ufer auf Petrus und die müden Männer gewartet hat. Sie haben ihn bloß nicht gleich erkannt. Erst später, als sie schon beim Essen saßen. Als schon wieder ein bisschen mehr Leben in ihnen war. Da ahnen sie: Wenn man selber müde geworden ist, dann sorgt Gott dafür, dass man wieder zu Kräften kommt. Dass man wieder lächeln kann.
Jetzt frage ich mich: Wie ist das wohl bei Michael? Was ist es, das ihm Kraft gibt? Dass er lächeln kann? Seine Familie, die ihn braucht? Freunde mit denen er erzählen und lachen kann? Ob es eine Aufgabe gibt, die ihm Freude macht? Vielleicht sollte ich ihn mal anrufen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=12837
weiterlesen...