Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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In der Karwoche geht es um Leben und Tod. Um die letzten Tage des Jesus aus Nazareth und was sie für uns Menschen bedeuten können. Heute  am Gründonnerstag wird an das letzte Mahl Jesu mit seinen Jüngern erinnert. Und dabei nimmt Jesus Brot und Wein und sagt dazu: „Nehmet hin, das ist mein Leib für euch. Trinkt aus diesem Becher, das ist mein Blut für euch." Mit andern Worten heißt das doch: Nehmt mich, stärkt euch an mir. Zehrt von mir. Nehmt mein Leben und macht es zur Lebenskraft für euch. Damit bringt er etwas zum Höhepunkt, was immer wieder unter Menschen geschieht: dass einer vom anderen lebt, dass wir uns gegenseitig brauchen und auch verbrauchen. Ich bin da schnell auch im eigenen Leben. Ich kenne die Freude, gebraucht zu werden, und das bedrohliche Gefühl: jetzt wird es zuviel, jetzt geht es an die Substanz. Und auch das Umgekehrte kenne ich: selber andere zu brauchen, von ihnen zu zehren und dabei Kraft zu gewinnen. Wir leben voneinander, andere von mir, ich von andern - manchmal aus dem Überfluß, wenn Körper und Seele gerade aus dem Vollen schöpfen können. Aber auf die Dauer und aufs Ganze lebt einer von der Substanz des andern. Die Bandscheiben der Krankenschwester und die Lungen des Verkehrspolizisten sind früher oder später verbraucht. Ich sträube mich immer wieder gegen dieses Lebensgesetz. Aber ich glaube auch, daß es dem Sinn des Lebens näher kommt, ja, daß es glücklicher macht, das Leben zu verbrauchen, statt es zu bewahren. Der Niederländer Huub Oosterhuis sagt in einem Gebet:

Die Menschen müssen füreinander sterben.
Das kleinste Korn, es wird zum Brot, und einer nährt den andern.
Und Oosterhuis fährt fort: Den gleichen Weg ist unser Gott gegangen;
und so ist er für dich und mich das Leben selbst geworden. 
(vgl. Gotteslob Nr 183.)

Diese Zeilen fassen für mich die tröstliche Botschaft des Gründonnerstags. Gott wohnt mit uns in diesem Lebensgeheimnis, daß wir nicht umhin können, einander zu verbrauchen. Zehren und Verzehrtwerden ist kein tödlicher Prozeß, sondern bringt Leben hervor. „Nehmt und esst, das ist mein Leib. Nehmt und trinkt, das ist mein Blut, für das Leben der Welt."

https://www.kirche-im-swr.de/?m=12776
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