Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Über das Kreuz ist immer wieder gestritten worden, über dieses uralte Symbol. Mir ist es als christliches Symbol vertraut von Kindheit an. Von zu Hause, aus der Kirche, von draußen aus der Landschaft. Als Kind fand ich es sehr geheimnisvoll, aber nie bedrohlich. Ich hatte gelernt: Jesus hat uns Menschen so geliebt, daß er die Qualen auf sich genommen hat. Er wollte zeigen, daß wir auch im Sterben nicht allein sind. Eine zeitlang hat mich ein Wegkreuz in der Nähe meiner Großeltern sehr in seinen Bann gezogen, bis dahin, daß ich im Winter die Großeltern bestürmt habe, den Gekreuzigten doch zu sich ins Warme zu holen, oder ihm wenigstens eine Decke umzuhängen. Dass man mit einem Kruzifix auch Probleme haben kann, ist mir erst viel später klar geworden. Es steht ja zu allererst für Grausamkeit und Leid. Und es drängt dazu, es drängt auch mich dazu, Gott Fragen zu stellen. Zu fragen, warum dieser Jesus so leiden und sterben musste. Die frühen Christen haben auch ihre Mühe gehabt mit dem Kreuz. Denn wer gekreuzigt wurde, galt als Verbrecher. Jesus war also nicht nur tot und gescheitert, sondern hatte auch seine Ehre verloren. Erst ab dem 4. Jahrhundert stellen auch Christen das Kreuz bildlich dar. Zunächst auf Sarkophagen. Da ist das Kreuz ein positives Zeichen geworden und sagt: Daß Jesus gestorben ist und wie er gestorben ist, läßt hoffen für diese Toten, die hier im Sarg liegen, hoffen, daß sie weiterleben bei Gott. Das Bild von der schmachvollen Hinrichtung Jesu ist Symbol geworden für den Glauben an neues Leben - durch den Tod hindurch! Das Kreuz Jesu ist kein schönes Symbol. Es ist eine Klage über Schmach und Tod, eine Anklage an alle, die Gewalt üben. Gleichzeitig drückt es die Hoffnung aus, daß wir Menschen in Schmach und Tod und Ohnmacht nicht von Gott verlassen sind. Vielleicht haben Sie ja auch Ihr Kreuz, das daheim irgendwo hängt, oder in einer Kirche, die sie hin und wieder besuchen, oder das sie bei sich tragen. Und vielleicht können Sie mit Ihrem Kreuz ins Gespräch kommen, es befragen, davor klagen, widersprechen oder sich auch trösten lassen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=12773
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