Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Ein Pfarrer und ein Rabbiner nehmen an einem theologischen Kongress teil. Beide kommen spät im Hotel an, alles ist ausgebucht. Darum müssen sie in einem Doppelzimmer übernachten. Beim Zubettgehen entschuldigt sich der Pfarrer und sagt: „Ich würde gerne noch eine halbe Stunde das Licht anlassen und in der Bibel lesen. Sonst kann ich nämlich nicht einschlafen". Erwidert der Rabbi: „Komisch, wenn ich eine halbe Stunde in der Bibel gelesen habe, dann bin ich blitzwach und an Schlaf ist gar nicht mehr zu denken!"
Ein Witz, klar. Doch ich habe mir überlegt, woran das liegt, dass die einen einschlafen, wenn sie in der Bibel lesen und die anderen ganz im Gegenteil blitzwach werden.
Konfirmanden zum Beispiel, wenn sie in der Bibel lesen müssen, die finden das manchmal zum Einschlafen Besonders bei den vielen Vorschriften und Gesetzen im 3. Buch Mose kann das passieren.
Dieses Buch, man nennt es auch Leviticus, ist für manche so langweilig, dass es eine Strafe war, darin lesen zu müssen. So war das jedenfalls im Mittelalter in den Klöstern. Da mussten ungehorsame Mönche „die Leviten lesen". Natürlich auf Latein. Als Bußübung. Einschlafen durften sie dabei nicht. Daher stammt die Redewendung „jemandem die Leviten lesen".
Martin Luther, der protestantische Reformator, fand die Bibel ganz und gar nicht zum Einschlafen. Er wollte unbedingt, dass die Leute selbst in der die Bibel lesen. Nicht als Strafe, sondern damit sie mündige Christen werden. Deshalb hat er die Bibel in ein verständliches und gebräuchliches Deutsch übersetzt. Die Christen sollten sich selbst ein Bild machen von ihren geistigen Wurzeln und von den Glaubenserfahrungen ihrer Vorfahren. Sie sollten empört sein darüber, wie Jakob seinen Bruder Esau um sein Erbe betrogen hat und erleichtert darüber, dass Gott auch aus diesem krummen Lebensweg noch  etwas Gutes gemacht hat.  Sie sollten sich überlegen, ob viel Geld zu haben wirklich das Wichtigste im Leben ist, wie für den reichen Kornbauern, von dem Jesus erzählt hat und der dann, als er starb, doch nichts davon mitnehmen konnte. Und sie sollten sich sicher und gut versorgt im Leben fühlen, wie die Vögel unter dem Himmel, die nicht säen und nicht ernten und die doch von Gott alles bekommen, was sie zum Leben brauchen. Einschlafen sollten sie nicht. Aber gut schlafen schon und auch gut durch den Tag kommen. Zum Beispiel mit dem Satz: „Gott ist mein Licht und mein Heil. Wovor sollte ich mich fürchten?" (Ps 71,1)

https://www.kirche-im-swr.de/?m=12673
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