Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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„Das Leben ist nun mal kein Ponyhof!"
Ich musste laut lachen, als meine Freundin das zu ihrer Tochter gesagt hat. Die Tochter ist 13 und mittendrin in der Pferdephase. Für Schule oder Mitarbeit im Haushalt, also die eher mühsamen und lästigen Seiten des Lebens, dafür bleibt wenig Zeit und Lust.
„Das Leben ist nun mal kein Ponyhof!" Es kann nicht immer nur lieblich und niedlich zugehen. Klar eigentlich. Die Frage ist nur, ob so eine ironische Bemerkung einem Mädchen mit 13 wirklich hilft. Wer will mit 13 schon ungebetene Ratschläge?
Dass das Leben kein Zuckerschlecken ist - ich würde sagen, das Mädchen ist gerade dabei, das selbst herauszufinden. Und wir erwachsenen Frauen sollten nicht über sie lachen, sondern ihr besser hilfreich zur Seite stehen. Aber wie?
Die erste Hilfe ist vielleicht, dass wir sie einfach so nehmen und liebhaben wie sie ist. Mit ihren Pubertätsmacken und ihren Empfindlichkeiten und ihren kleinen Fluchten an den Computer, zu den Freundinnen oder eben auf den Ponyhof.
Und wir sollten nicht ironisch sein. Denn Ironie tut weh und hilft nicht.
Und wir sollten uns klar machen, dass die Mädchen von heute genauso erwachsen werden, wie wir damals. Aber  ihr Weg dahin, ist nicht derselbe wie unserer. Sie leben in einer anderen Zeit, mit anderen Herausforderungen, anderen Einflüssen, anderen Zukunftsaussichten.
Die gute Hilfe habe ich bei der Schriftstellerin Toni Jordan gefunden. Sie schreibt:

„...Leben heißt nicht, auf einem Berggipfel zu stehen und den Sonnenuntergang zu beobachten. Leben heißt nicht, am Altar zu warten, Das ist nicht das Leben.. Leben heißt, Zähneputzen, ein Sandwich belegen, Nachrichten sehen, auf den Bus warten.. Jeden Tag passieren tausend winzige Ereignisse" und die zählen genauso wie die Höhepunkte.
Für mich klingt das fast wie eine liebevolle Übersetzung von: „Das Leben ist kein Ponyhof!".  Es ist der Wunsch, dass das Mädchen ihren Weg im Leben findet und sich nicht in Träumereien oder Oberflächlichkeiten verliert.
Davon könnten wir erwachsenen Frauen unseren Töchtern und Enkelinnen erzählen. Welche Momente ganz wichtig waren für uns. Und wie wir die Alltagsaufgaben meistern, die genau so wichtig sind: das Geld verdienen, das Kochen, das Aufräumen, das Einkaufen. Auch das ist das Leben. All das, was wir füreinander tun, wenn wir zusammen leben. Auch darauf liegt der Segen Gottes - auf dem alltäglichen Kram genau so wie auf einer einmaligen glücklichen Stunde.

(1) Andrea Kett, Hildegund Keul (Hg), Du gibst meinem Leben weiten Raum. Spirituelle Texte von Frauen, Ostfildern, 2011, S.14.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=12671
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