Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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„Das Herz hat seine Gründe, die der Verstand nicht kennt. Ein toller Satz, finde ich, besonders für Leute, die sich schwer tun mit einer Entscheidung. Das Herz hat manchmal ganz andere gute Gründe als der Verstand. Man muss sie bloß hören.
Wie zum Beispiel der junge Mann, der sich in zwei Frauen verliebt hatte. Beide fand er gleich attraktiv und begehrenswert. Aber zwei Freundinnen, das war eindeutig eine zu viel. Er musste sich also entscheiden. Aber für welche nur? Mal tendierte er mehr zu der einen, mal mehr zu der anderen. Aber je länger er nachdachte, desto weniger konnte er sich entscheiden.
Da schrieb ihm sein Onkel folgendes: „Wenn du zweifelst, dann notiere deine Gründe, pro und contra, in zwei nebeneinander liegenden Spalten und prüfe, welche Gründe in der einen Spalte, denen in der anderen an Wichtigkeit entsprechen ... und (am Ende) kannst Du sehen, wo noch ein Rest bleibt... Dieser moralischen Algebra habe ich mich häufig in wichtigen und zweifelhaften Angelegenheiten bedient, und obwohl sie mathematisch nicht exakt sein kann, hat sie sich für mich häufig als außerordentlich nützlich erwiesen. Nebenbei bemerkt, wenn Du sie nicht lernst, wirst Du dich, fürchte ich, nie verheiraten."(1)
Der junge Mann machte sich also seine Liste. Er schrieb alle Gründe auf, die ihm einfielen und gewichtete sie sorgfältig. Bald lag das Ergebnis klar auf der Hand. Die meisten Gründe sprachen für die eine der beiden Frauen. Jetzt konnte er sich endlich entscheiden. Und er entschied sich - für die andere. Die war die Richtige. Das war ihm plötzlich völlig klar geworden, als er seine Liste sah. Die Liste hatte ihm bei der Lösung seines Dilemmas geholfen. Aber nicht durch Logik. Auf einmal hatte sich sein Herz ganz deutlich gemeldet.
In der Bibel werden diese Einsichten des Herzens oftmals Gott zugeschrieben. Da heißt es, dass es da eine Stimme im Menschen gibt, die mehr weiß als der Verstand und dass es gut ist, neben allen Vernunftgründen auch auf sie zu hören.  Die Bibel weiß auch, dass Beten dabei hilft, auf diese Stimme zu hören: „Lass mich am Morgen deine Gnade hören, denn auf dich hoffe ich. Tu mir kund den Weg, den ich gehen soll." (Ps 143 .8). Zum Beispiel bei der nächsten Herzensentscheidung. Denn wir Menschen sind ja mit beidem geschaffen, mit Verstand und mit  Herz. Und wenn das Herz mitreden darf - dann werden die Entscheidungen einfach besser.
Der Tipp mit der Liste stammt von Benjamin Franklin. Den Brief an seinen Neffen schrieb er im April 1779.

(1)Gerd Gigerenzer, Bauchentscheidungen. Die Intelligenz des Unbewussten und die Macht der Intuition. München 6/2008, S.13.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=12670
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