Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Wenn Menschen, die einem lieb und wichtig sind, Probleme haben, dann kann man selbst nicht unbeteiligt bleiben. Irgendwie steckt man selbst mit drin. Man denkt immer wieder daran. Man leidet mit und fragt sich, wie könnte ich helfen? Was würde ich an seiner oder ihrer Stelle tun? Soll ich einen Rat geben oder besser nur zuhören? Manchmal können einen die Sorgen um einen anderen Menschen bis in den Schlaf hinein verfolgen.
Der Ehefrau von Pontius Pilatus ist es so ergangen. Sie wusste, ihr Ehemann steht vor einer schweren Entscheidung.  Als römischer Statthalter in Israel hat man von ihm erwartet, dass er Jesus den Prozess macht und ihn zum Tode verurteilt. Obwohl er persönlich Jesus eigentlich für unschuldig gehalten hat.
Die Frau des Pilatus hat diese Gedanken mit hinein genommen in ihren Schlaf.  Sie hat davon geträumt. Richtige Albträume waren das anscheinend. Und als sie schließlich am Morgen aufgewacht ist, da war Pilatus schon fort.  Aber ihre Albträume waren noch da. Und zwar so real und so eindeutig in ihrer  Botschaft, dass sie zu einem ungewöhnlichen Mittel greift. Sie schickt eine Nachricht in den Gerichtsaal, mitten hinein in die Gerichtsverhandlung. Sie will ihren Mann unbedingt davor bewahren, dass er einen Fehler macht. „Lass die Hände von diesem Mann, er ist unschuldig. Ich hatte seinetwegen heute Nacht einen schrecklichen Traum.". ( Mt 27,19). Aber es hat nichts genützt. Pilatus hat sich dem politischen Druck gebeugt und das Todesurteil unterschrieben.
Ich kann mir vorstellen, wie es dieser Frau gegangen ist. Und ich überlege mir, wie es wohl abends war, als er nach Hause gekommen ist? Hat sie ihm Vorwürfe gemacht? Hat er ihr vorgeworfen, dass ein Briefchen der Ehefrau mitten in einer Gerichtssitzung doch einfach nur peinlich sei?
Hat sie geweint? Hat sie ihn angeschrien, dass er sich zum Mörder gemacht habe? Hat er sich gerechtfertigt, dass er doch nicht anders konnte?
Im Traum hatte sie erkannt, was ihr Mann Pilatus mit all seinem politischen Verstand nicht sehen konnte: dass er einen Fehler macht. Schade, dass die beiden seinen Verstand und ihre Intuition nicht zusammenbringen konnten.
Dass es gut und richtig ist, den Mut zu haben, die eigene Meinung oder das gute oder schlechte Gefühl zu einer Sache zu sagen, das lerne ich von der Frau des Pilatus. Die Entscheidung aber. die kann man  seinen liebsten Menschen nicht abnehmen. Entscheiden muss letztlich jeder selbst.

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