Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Die Politik kennt tragische Gestalten. Politiker, die nicht berühmt werden wegen ihrer Erfolge, sondern wegen ihrer Fehler.
Eine dieser tragischen Figuren ist Pontius Pilatus. Auf ihn geht die berühmte Redewendung zurück: „ Ich wasche meine Hände in Unschuld." Bis heute wird er immer wieder zitiert, wenn jemand sagen will: „Ich habe damit nichts zu tun. Mich könnt ihr nicht haftbar machen. Ich wasche meine Hände in Unschuld." Seit Pontius Pilatus wird dieser Satz gedreht und gewendet. „Sorry, aber ich war's nicht."
Was hat er eigentlich gemacht, dieser Pontius Pilatus? Er war der oberste römische Regierungsbeamte in Israel und er war entscheidend verwickelt in den Prozess gegen Jesus. Die Todesurteile, die musste nämlich er unterzeichnen. Und nun hatte der jüdische Hohe Rat diesen Jesus gefangen genommen, einen religiösen Aufwiegler anscheinend. Die Sache schien klar zu sein. Jetzt muss Pilatus den Angeklagten verhören und dann das Todesurteil unterschreiben.  Aber ist das Urteil wirklich gerecht? Pilatus hat nicht den Eindruck. Er hat an Jesus nichts gefunden, was ein Todesurteil rechtfertigt. Aber andererseits wird in Jerusalem gerade das Passahfest gefeiert. Massen von Leuten sind in der Stadt. Da könnte es Unruhen geben. Und die Unruhen könnten eskalieren und dann hätte Pilatus ein dickes Problem. Dann lieber einen Sündenbock opfern. In der Hoffnung, dass es dann nicht zu Krawallen kommt.
Pilatus hat sich entschieden.  Als Politiker, aber persönlich will er keinen Unschuldigen opfern. Um das auszudrücken, greift er zu dieser starken symbolischen Geste. Er lässt sich eine Schüssel mit Wasser bringen und wäscht sich öffentlich die Hände - in Unschuld. Genützt hat es ihm allerdings nichts. Bis heute weiß jeder, dass er es war, der Jesu Todesurteil unterschrieben hat.
In etwas verwickelt sein, für das man eigentlich nicht die Verantwortung übernehmen will - das passiert einem leicht. Manchmal entscheidet man falsch, obwohl man es besser weiß. Man beugt sich der Mehrheitsmeinung, trotz besserer Einsicht. Wer Verantwortung trägt und Entscheidungen zu fällen hat, macht Fehler. Ich fürchte, das kann jedem passieren. Entscheidend ist aber doch, wie man mit solchen Fehlern umgeht. Ob man sie anderen in die Schuhe schiebt und sich selbst die Hände in Unschuld wäscht, oder ob man sagt, ja, da habe ich mir die Hände schmutzig gemacht, jetzt trage ich auch die Konsequenzen. Und das ist in jedem Fall besser als bloß saubere Hände zu haben.

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