Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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In meiner Studentenzeit haben wir über fromm erscheinende Menschengern gesagt, sie hätten den verklärten Blick einer Heiligenfigur. Heilige werden als Figuren jagern mit eben diesem verklärten Blick dargestellt, also mit leicht geneigtem Kopf und  zum Himmel blickenden Augen. Auch heutegilt ein verklärter Blick eher als Frömmelei, die an der Wirklichkeit des Lebens vorbei geht. Verklärung statt Aufklärung - Diesen Vorwurf konnte man ja auch schon in der Presse lesen, wenn Prominente in Verdacht gerieten, nur nach eigenen Interessen gehandelt zu haben und das im Nachhinein kaschieren wollten. Nein, das Wort Verklärung hat in den meisten Zusammenhängen keinen guten Klang. Zu sehr ist es mit dem Vorwurf der Unglaubwürdigkeit oder Unaufrichtigkeit verbunden. Oder, wie bei uns Studenten damals, mit einer fast lächerlich wirkenden Frömmelei. Dabei meint Verklärung laut Wörterbuchlediglich, dass jemand besonders glücklich aussieht. In den katholischen Gottesdiensten wird heute das Evangelium von der Verklärung Jesu gelesen. Jesus ist mit drei seiner Aposteln auf einem Berg und wird vor ihren Augen verwandelt, sein Gewand wird strahlend weiß, beeindruckende Begegnungen finden statt und aus einer Wolke tönt eine Stimme, die sagt: „Das ist mein geliebter Sohn. Auf ihn sollt ihr hören." Der Evangelist spricht von Verwandlung. Das gefällt mir, denn es macht etwas deutlich: Irgendetwas passiert mit Jesus, so dass ihn die Apostel anders wahrnehmen. Was mit Jesus geschieht, verändert auch die anderen. Die Verklärung ist ein Ereignis in den Aposteln selbst. Nicht nur Jesus wird verklärt,  sondern auch die Apostel werdenverwandelt. Ich glaube, wir alle brauchen Momente, in denen uns die Dinge in einem andern Licht erscheinen und uns die Möglichkeit zur Veränderung geben. Und damit meine ich Veränderung, die den Blick für die Realität unseres Lebens schärft. Jesus ging danach ja mit seinen Jüngern auch wieder vom Berg hinunter und kündigte ihnen sein eigenes Leiden, ja sogar seinen bevorstehenden Tod an. Keine realitätsferne Weltflucht, sondern die Bereitschaft, sich dem Wandel des Lebens zu stellen. Bert Brecht schreibt in einer seiner Geschichten von Herrn K.:
Ein Mann, der Herrn K. lange nicht gesehen hatte, begrüßte ihn mit den Worten: „Sie haben sich gar nicht verändert." „Oh!" sagte Herr K. und erbleichte. Ich wünsche Ihnen Momente, die etwas verändern können.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=12614
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