Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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In der Schule hat wahrscheinlich jeder schon mal gebetet: dass es gut geht bei der Klassenarbeit in der nächsten Stunde, dass das Zeugnis wenigstens so einigermaßen ausfällt oder dass die Eltern später einigermaßen gnädig sind. Ich kann mich noch gut erinnern, wie ich manchmal gebetet habe in der Schule. Nun hat vor ein paar Wochen hat das Bundesverwaltungsgericht das Beten in der Schule verboten, jedenfalls wenn es öffentlich geschieht. In einer Berliner Schule haben ein paar muslimische Jungen öffentlich in der Pause im Flur gebetet. Ich finde, ehrlich gesagt, es gibt Schlimmeres, was Jungs in der Schule anstellen können. Die Schulleiterin hat es aber verboten. In einer Schule, in der alle Weltreligionen vertreten sind, würde das den Schulfrieden gefährden, hieß es. Außerdem sei zu befürchten, dass andere auch beten wollen und so viele Räume könne man dafür nicht zur Verfügung stellen. Die Schulleiterin hat jetzt Recht bekommen: Im Einzelfall geht der Schulfrieden vor Religionsfreiheit, hat das Gericht entschieden. Und damit man nicht lauter Einzelfallentscheidungen treffen muss, dürften die Bundesländer per Gesetz religiöse Handlungen „weitgehend aus der Schule verbannen". Mal sehen, was jetzt passiert. Denn nun müssten natürlich auch die Schülerbibelkreise und die Schülergebetskreise aufhören, die es in manchen Schulen gibt, von den Schülern selbst organisiert. Und genau genommen wohl auch die Schulgottesdienste und die Schulanfängergottesdienste - zu denen ja kein einziger Schüler verpflichtet wird. Ich halte das für eine schlechte Idee: Wenn Kinder und Jugendliche lernen sollen, dass ihr Glaube nicht nur was für Sonn- und Feiertage und feierliche Stunden ist, sondern auch für den Alltag taugt - dann kann man nicht verbieten, dass sie an der Schule miteinander darüber reden, und auch nicht, dass sie den Glauben ausprobieren, zum Beispiel indem sie beten. Natürlich muss diese Freiheit dann auch für Schüler gelten, die einen nichtchristlichen Glauben haben. Beten, sich seinem Gott anvertrauen und auf seinen Beistand hoffen: das tut jedem gut. Sonst würde in der Schule nicht so viel gebetet. Wenn Fans verschiedener Fußballmannschaften aneinander geraten, verbietet man auch nicht das öffentliche Fußballspielen. Sondern man versucht, die Streithähne zur Vernunft zu bringen. Genauso ist es mit dem Glauben, finde ich: Für den Frieden in unserer Gesellschaft ist es nicht sinnvoll, die verschiedenen Glaubensrichtungen im Privatleben zu verstecken. Ziel der Erziehung muss es sein, damit zu leben, dass andere anders glauben und beten. Wo soll man das üben, wenn nicht in der Schule?

https://www.kirche-im-swr.de/?m=12569
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