Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Zinsen können einen reich machen. Wenn man Geld hat und es geschickt anlegt, vermehrt es sich wie von selbst. Zinsen können einen aber auch arm machen. Wenn man kein Geld hat und ein Darlehen braucht. Dann ist die Rückzahlung der Zinsen eine schwere zusätzliche Last. Denn je weniger Geld man hat, desto höhere Zinsen werden für einen Kredit verlangt. So werden die reichen Kreditgeber reicher, und die Armen, die Kredit brauchen, brechen irgendwann zusammen unter der Schuldenlast. Zinsen machen die Reichen reicher und die Armen ärmer. Im alten Israel waren Zinsen deshalb verboten. In den Gesetzestexten der Bibel heißt es: „Wenn du Geld verleihst an ... einen Armen neben Dir, so sollst du an ihm nicht wie ein Wucherer handeln, du sollst keinerlei Zinsen von ihm nehmen." (Ex 22,24) Später hat der Koran diese Regelung übernommen. Auch die Christen haben sich bis ins Mittelalter an das Zinsverbot gehalten und noch Martin Luther hat gegen die reichen Kaufleute und Geldverleiher gewettert: „Sie sagen": schreibt Luther, „Hätte ich nur meinen Gewinn und Geiz voll, was geht michs an, dass es meinem Nächsten zehn Schaden auf einmal täte? Deshalb war auch Luther für ein Zinsverbot: Die Reichen sollen nicht an der Armut der Armen verdienen. Inzwischen haben sich die Verhältnisse geändert. Die  Wirtschaft würde nicht laufen, wenn es nicht Kredite gäbe für neue Investitionen. Solche Geldgeschäfte haben wir an Banken und an die Börse übertragen. Da muss sich kein einzelner mehr als Wucherer beschimpfen lassen. Und trotzdem kann man Geld verdienen mit seinem Geld, wenn man es geschickt anlegt. Das biblische Zinsverbot gilt ja schon lange nicht mehr. Ist es vielleicht wirklich überholt in unserer Zeit? Andererseits, hohe Zinsen und Renditeerwartungen treiben auch heute so manches Unternehmen, ja sogar ganze Staaten in den Ruin. Wie soll ich mich als Christin verhalten? Ich habe ja auch Geld auf meinem Sparkonto. Reich bin ich nicht, aber ein Notgroschen liegt da schon. Was kann ich tun, wenn ich nicht an Geldgeschäften beteiligt sein will, die manche in den Ruin treiben, damit andere reicher werden? Ich kann mein Geld doch nicht im Sparstrumpf oder unter der Matratze aufheben. Eine Möglichkeit ist, das Geld bei einer alternativen Bank anzulegen. Die spekulieren nicht auf Gewinn um jeden Preis und geben auch denen Kredit, die anderswo keine Chance hätten. Zugegeben: Man bekommt nicht viel Zinsen dort. Aber das macht mir nichts aus. Ich kann selber für mein Geld arbeiten. Gott sei Dank.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=12567
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