Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Schluss mit lustig! - Das Leben ist ein Kampf. - Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott. - Ohne Fleiß kein Preis. - Solche Sätze werden uns in die Wiege gelegt und begleiten uns wie ein Kehrvers ein Leben lang. Natürlich ist da auch was Richtiges dran. Aber wenn solche Sätze zu Leitsätzen werden, zu einem inneren Kompass, dann wird es einseitig. Im schlimmsten Fall verliere ich die Lust am Leben und versinke irgendwann in der Überforderung. Bei den Gottesdiensten am Aschermittwoch steht ein kurzes Wort aus dem Markus-Evangelium im Mittelpunkt, es heißt: Kehrt um und glaubt an das Evangelium! Ist das etwa schon wieder so eine Keule von Spruch, so ein innerer Antreiber? Wenn Jesus zur Umkehr ruft, dann meint er nicht Askese und Verzicht auf das, was das Leben schön macht. Es geht gerade nicht um freudloses Bemühen, um Sisyphusarbeit, um Schweiß und Tränen. Das haben die Menschen schon genug, deshalb kommen sie ja zu Jesus; das muss er ihnen nicht noch zusätzlich verordnen. Evangelium heißt auf deutsch gute Botschaft. Und diese Botschaft sagt: Es geht nicht um unsere Leistung, nicht um noch mehr Anstrengung, sondern um Gottes Geschenk, um Befreiung von den Zwängen und Ängsten, die mich am Leben hindern und die Lebensfreude wie ein Staubsauger in sich aufsaugen. Im Gottesdienst am Aschermittwoch wird mir mit Asche ein Kreuz auf die Stirn gezeichnet. Es ist das äußere Zeichen der inneren Umkehr, dieser Umkehr zum Evangelium, zu der Jesus aufruft. Die Asche, mit der ich mich bezeichnen lasse, sie ist für mich kein trauriges Zeichen, sondern ein hoffnungsvolles: Wenn ich mich wirklich dem Evangelium anvertraue, dann wird das, was mich am Leben hindert, gleichsam verbrannt: mein Perfektionismus, meine Mutlosigkeit, meine Vorstellung, ich müsste mir den Himmel verdienen. Die Zeit, die heute beginnt, nennt man traditionell Fastenzeit. Dabei verzichtet man auf Verhaltensweisen, mit denen man sich selbst und anderen schadet. Ich nehme mir vor, in diesen Wochen vor allem darauf zu verzichten, mich selbst zu entwerten und andere zu bewerten. Ich finde, das ist ein ziemlich anspruchsvolles Vorhaben. Und wenn ich dazu dann ab und zu mal eine Tafel Schokolade brauche, dann ist das auch in Ordnung.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=12510
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