Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Manche Zitate bringen so richtig Stimmung in die Bude. Man sitzt in geselliger Runde, einer gibt ein Stichwort, und alle liegen vor Lachen fast unter dem Tisch. Ich denke etwa an Loriot und das Klavier oder den sprechenden Hund. Und an die berühmteste Nudel der Filmgeschichte, die unvergleichlich über ein Gesicht wandert und die Liebeserklärung vermasselt: Hildegard, sagen Sie jetzt nichts.
Mein Lieblingssatz gehört ins Programm des Kabarettisten Uli Keuler: Etz frei de halt! kriegt die Oma an ihrem Geburtstag zu hören. Etz sitz hender dei Dord ond frei de! Es mag an der schwäbischen Mentalität liegen, an dieser Genierlichkeit, wenn es um spontane Gefühlsäußerungen geht. Aber die eigentliche Komik liegt darin, dass die Freude am Geburtstag quasi zur Pflicht wird, mit der nicht zu spaßen ist. 
Etz frei de halt! Diesen Ton kenn ich doch. Er erinnert mich - pardon - an einen Brief des Apostels Paulus. Dort heißt es: Freut euch im Herrn zu jeder Zeit! Und noch einmal sage ich: Freut euch! (Phil 4,4) Das Freuen scheint ja harte Arbeit zu sein, wenn man es uns so einschärfen muss.
Der Appell des Apostels hat denn auch nicht wirklich viel genützt, damals nicht und später auch nicht. Im Mittelalter haben Theologen allen Ernstes die Frage gestellt, ob Jesus gelacht hat, und ebenso ernsthaft versucht, eine wissenschaftlich fundierte Antwort zu finden. Heute findet man eher die Frage zum Lachen. Und im 19. Jahrhundert konnte der Philosoph Nietzsche sagen: Erlöster müssten sie aussehen, die Christen. Ehrlich gesagt, ich kann ihn verstehen. Denn ich finde auch, dass wir Christen doch Grund hätten, fröhlicher zu sein als wir es meistens sind. Aber ich sehe auch an mir selbst, dass das Leben oft dazwischen grätscht und das Freuen manchmal zu kurz kommt. Aber Paulus sagt ja auch nicht: Freut euch allezeit! Er sagt: Freut euch im Herrn allezeit! Es geht ihm nicht darum, alles auszublenden, was nicht in Ordnung ist, und mit einem Dauerstrahlen durch die Welt zu laufen. Das hat Paulus auch nicht getan. Es geht eher um den Grundton des Lebens; es ist der Grundton des Glaubens und des Vertrauens: Ich bin geliebt, ich bin gewollt, ich darf sein, wie ich bin. Und nichts und niemand kann mir das nehmen, weil Gott es ist, der es gegeben hat. 
Also, dann frei i mi halt. Und manchmal sogar ohne ‚halt'.

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