Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Ich glaube, mir fehlt einfach der Draht nach oben". Eine Frau meinte das neulich zu mir. Sie steckt in einer Lebenskrise: Ihr Mann hat eine andere. „Immer wieder versuche ich es mit Beten. Aber egal wie ich mich bemühe, es nützt einfach nichts: Mein Mann geht immer noch mit dieser Frau weg."
Wenn etwas im Leben schief läuft, dann möchte man oft, dass alles wieder wird, wie es war. Man malt sich aus, wie leicht das Problem zu beheben wäre, das das ganze Leben ins Wanken gebracht hat. Wenn man dem Schicksal nur an einer kleinen Stelle nachhelfen könnte, dann wäre alles wieder gut. Man wüsste sogar genau, wie! Dann stellt sich schnell die Frage: Gott, warum machst Du nicht genau das, was das Einzig Hilfreiche ist? Du musst nicht mal überlegen, ich kann Dir genau sagen, was zu tun ist".
So eine Bitte klingt verkrampft - ich denke, auch die Frau wird das mit etwas Abstand zu ihrer Situation so hören. Mich erinnert sie ein bisschen an einen verfahrenen Streit: Wenn ich mit meinem Freund streite, dann klingt das manchmal auch so: Ich will, dass Du das so oder so machst! Nur: Jedes Mal, wenn ich meinem Freund etwas vorschreibe, ist ziemlich klar, dass er genau das nicht tut. Er möchte nicht vorgeschrieben bekommen, wie er handeln soll. Er möchte selber kreativ werden und mir auf seine Weise zeigen, was ihm an unserem Zusammensein wichtig ist.
Wenn man jemanden um etwas bittet, dann muss man zwar klar benennen, was man sich wünscht. Aber man muss dem anderen den Freiraum lassen, dass er einem auf seine Weise hilft. Ich glaube: Genau so ist das auch, wenn man Gott um etwas bittet: Man muss Gott Gestaltungsfreiheit lassen und ihm vertrauen. Natürlich, das ist nicht immer leicht. Gerade, wenn man sich so dringend etwas wünscht wie die Frau, die wegen ihrem Mann in der Krise steckt.
Dass es Menschen schwer fällt, sich beim Beten von ihren eigenen Lösungsvorschlägen zu befreien, hat Jesus auch beobachtet. Er selbst hat darum gebetet: „Vater unser im Himmel... Dein Reich komme... Dein Wille geschehe!" Ich höre seine Worte so: „Gott, hilf mir. Ich vertraue Dir. Ich weiß, Du findest eine Lösung für mich. Und wenn es anders wird, als ich mir das vorstelle, auch dann vertraue ich Dir: Gib mir die Kraft mit dem zu leben, wie es kommt."  
Mir hilft es, in diese Worte von Jesus einzustimmen. Besonders, wenn ich in einer schwierigen Situation stecke und zu sehr an meinen eigenen Vorstellungen festhalte. Dann will ich versuchen, mich an die Worte aus dem Vaterunser zu erinnern. Und der Frau in ihrer Krise wünsche ich, dass das Vertrauen auf Gott sie stark macht.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=12476
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