Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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„Die sicherste Tür ist die, die man offen lassen kann" - was für ein Traumtänzer sagt so etwas? Nun, dieser Spruch aus China steht wohl im krassen Widerspruch zur Wirklichkeit. Die sicherste Tür ist doch eine Stahltüre, die mehrfach verriegelt ist und durch Videokameras ständig überwacht wird. Damit ja kein Ungebetener hereinkommt und die Reichtümer nicht gestohlen werden können. Ich denke an manche Villa in so genannten „vornehmen Vierteln", die wie Hochsicherheitstrakte wirken, die mit Mauern von der Außenwelt abgeschottet sind. Schrecklich. Selbstverständlich lasse ich meine Wohnungstür nicht offen, auch wenn sich bei mir keine Schätze befinden. Viel zu viel wird geklaut oder zerstört. Oft ist sogar das Leben bedroht. Es war früher in ländlichen Gegenden durchaus üblich, dass man die Haustüre offen gelassen hat. Die Leute haben sich gekannt, und mitnehmen hätte man ohnehin nichts können in den oft armseligen Behausungen. Bereits in der Antike sollen viele Türen ursprünglich nur aus einem Vorhang bestanden haben. Ich will solche Zeiten nicht verklären. Dennoch gefällt mir dieser Spruch: „Die sicherste Tür ist die, die man offen lassen kann" - weil man einander vertraut und nichts voneinander zu befürchten hat. Eine wunderschöne Vorstellung. Mir gefällt dieser Spruch auch deshalb, weil die offene und die verschlossene Tür seit jeher voller Symbolik steckt. Die Tür steht für die Schwelle zwischen drinnen und draußen. In altorientalischen Mythen gibt es die Tür, die zum Himmel führt  und die Tür zur Unterwelt. Die verschlossene Tür bedeutet: bis hier her und nicht weiter. Sie ist auch ein Bild für versäumte Möglichkeiten und verpasste Chancen. Auch die offene Tür ist ein Bild: Ich kann ein- und ausgehen. Ich kann ankommen und weggehen. Die offene Tür ermöglicht den Zugang zum Leben und lässt einen vom Diesseits ins Jenseits gelangen. Auch die Bibel ist voll von solchen Bildern. Ein besonders starkes Bild ist für mich, wenn Jesus von sich selbst sagt: „Ich bin die Tür; wer durch mich hineingeht, der findet zu Gottes neuer Welt, zum endgültigen Frieden, zum Leben in Fülle." (Johannes 10,7-10)   Und diese Tür, die Jesus auf sich selbst bezieht - davon bin ich zutiefst überzeugt - diese Tür ist bestimmt offen, immer und für jeden.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=12453
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