Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Alkohol- und Tablettenabhängigkeit bei älteren Menschen nehmen zu. Komasaufen unter Jugendlichen unverändert. Alles Zeitungsmeldungen, die sich mühelos ergänzen lassen durch Rücktritte namhafter Menschen, weil sie ihre Sucht nicht länger verstecken konnten.
So viele junge Menschen, die sich derart zudröhnen, dass sie nichts mehr von sich spüren und bewusstlos in der Klinik landen um zu überleben. Einzigartige Menschen, die das Leben vor sich haben und anscheinend  nicht wissen, was sie damit anfangen sollen. So viele Frauen und Männer, die viel gearbeitet, erlebt und erreicht haben  und das älter werden nur im vernebelten, gedämpften Zustand ertragen. Ein Politiker ist wegen seiner Alkoholsucht letztes Jahr zurück getreten und hat offen darüber gesprochen. Beeindruckend, habe ich gefunden. Hinter seiner Sucht sind Gefühle aufgetaucht, die er nicht mehr zugelassen hat. In der Regel wundern wir uns nicht, wenn wir das hören. Wir wissen es, weil es oft gesagt wird. Das war's dann aber auch schon. Wie soll das gehen? Zu fühlen, was schwer auszuhalten ist. Es gibt kein einfaches Rezept dafür: Wenn ich Angst habe, zu versagen. Wenn ich das Gefühl habe, für niemanden wichtig zu sein. Wenn ich mich einsam fühle. Wenn mir weh tut, weil meine Freundin mich verlassen hat. Wenn ich fürchte, im Leben viel falsch gemacht zu haben. Wenn ich mich schäme, weil ich falsche Entscheidungen getroffen habe. Was mache ich dann? Rauschmittel helfen, das alles nicht zu fühlen oder auf jeden Fall nicht so krass. Wenigstens kurzfristig. Immerhin. Aber sie verändern nichts wirklich. Mir hat geholfen, dass mir jemand Mut gemacht hat, auch das zu fühlen, was ich nicht liebe: den Schmerz, die Trauer, Verzweiflung, Wut, Einsamkeit. Wer sich darauf einlässt, kann vielleicht im Kern seines Wesens ankommen, dort wo Liebe und Frieden gegenwärtig sind. Kein Gefühl hält ewig. Das kennen wir auch, wenn wir uns freuen oder glücklich sind. Da bedauern wir, dass wir den Augenblick nicht festhalten können. Das gleiche gilt für die ungeliebten Gefühle. Wenn wir sie zulassen, bleiben sie nicht. Sie zeigen uns, was uns fehlt, was wir brauchen. Unersetzlich ist, auf diesem Weg Menschen zu kennen oder kennen zu lernen, denen wir vertrauen, wenn wir uns öffnen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=12347
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