Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Eigentlich habe ich genauso viel Zeit wie meine Eltern, Großeltern und Urgroßeltern: 365 oder 366 Tage im Jahr. Freizeit habe ich sogar mehr. Als ich Kind war, musste mein Vater noch jeden Samstag arbeiten, bei meiner Großmutter dauerte die Wäsche für die Familie manchmal 3 Tage, bis alles wieder im Schrank war. Warum scheint mir so oft, ich hätte weniger Zeit als sie, eigentlich zu wenig?
Das kommt, weil Sie so viel Zeit sparen, hat mir neulich jemand geantwortet. Sie machen alles so schnell wie möglich, damit Sie möglichst schnell das nächste machen können. Und dann ärgern Sie sich, weil sie nicht genug Zeit haben, um alles gut zu machen. Ich habe nicht genug Zeit, - liegt das daran, dass ich zu schnell mache?
Sie machen zu wenig Pausen, sagt mir ein anderer. Nur wenn man Pause macht, spürt man die Zeit. Vielleicht ist da was dran. Die Pausen unterbrechen die Arbeit. Man kann zurückschauen und sehen, was schon geschafft ist. Sogar Gott, erzählt die Bibel, hat das so gemacht, als er die Welt geschaffen hat. „Und siehe, es war sehr gut", hat er da gemerkt. Ganz schön viel geschafft!
In der Pause kann man auch vorausschauen. Was kommt als nächstes? Was muss ich beachten, wofür muss ich sorgen, welche Möglichkeiten habe ich, auf wen kann ich mich verlassen, worauf kann ich mich freuen? Vieles geht leichter, wenn man sich Zeit nimmt, vorauszuschauen.
Eine Pause ist ein Zwischenraum. Wenn man Pause macht, ist die Welt nicht wie mit lauter Brettern vernagelt, weil man nur noch die Aufgaben sieht, die man eigentlich gar nicht schaffen kann. Im Zwischenraum kann man durchblicken - wie bei einem Gartenzaun. Da sieht man mehr als nur die Aufgaben. Da kann man sehen, wo das hinführen kann, was man sich vorgenommen hat. Da kann man sehen, was dahinter steckt. Man kann sich fragen, was für Möglichkeiten es gibt, ob das wirklich wichtig ist, was ich an Aufgaben vor Augen habe. Oder ob ich vielleicht bloß ein Brett vor dem Kopf habe und eigentlich wichtig sind ganz andere Dinge.
Vielleicht hat er Recht, der Mann, der von den Pausen redet.
Eine Gelegenheit für solche Pausen ist der Sonntag - gesetzlich geschützt. Da hat man so einen Zwischenraum. Da kann man zurückschauen. Vorausschauen. Da kann man Durchblick gewinnen. Am besten zusammen mit anderen - der Sonntag ist der Tag, an dem man ins Gespräch kommen könnte. Wer mit anderen redet, blickt leichter durch. Am Sonntag kann man auch mit Gott reden. Morgens im Gottesdienst in aller Ruhe. Am Sonntag kann man spüren: ich habe Zeit. Ich muss sie mir bloß auch gönnen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=12241
weiterlesen...