SWR1 3vor8

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Wenn ich still werden kann, innerlich gelöst und ruhig, dann habe ich schon tief in mir Gedanken, Ideen wahrgenommen, die mir im alltäglichen Betrieb kaum gekommen wären. So etwa stelle ich mir vor, wenn Jesus aus dem Himmel eine Stimme hört, die zu ihm sagt: „Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Gefallen gefunden." - Darum geht es in einem der Texte, die heute in den katholischen Gottesdiensten gelesen werden. Und was könnte das heißen: Gott hat Gefallen an Jesus? ch verstehe das so: Gott erkennt sich in Jesus. Und das, was die Menschen von Jesus hören, was sie bei ihm sehen - das ist Gott selbst. Ein Blick in die Zeit, in der Jesus gelebt hat, kann das verständlich machen: Die Römer beherrschen Israel. Einige politische Bewegungen kämpfen um Israels Befreiung. Die Priesterkaste am Tempel in Jerusalem ist selbstherrlich und hat mit den kleinen Leuten so gut wie nichts zu tun. Viele sind krank, haben Hunger, sind verelendet - gesellschaftlich und sozial. Religiös sind sie verstört und voller Angst. Da kann man sich gut vorstellen, dass sich die Menschen nach Erlösung sehnen - aus ihren Sorgen und Nöten. 
In diese Zeit hinein kommt Jesus. Bei seiner Taufe durch Johannes am Jordan und während eines Aufenthalts in der Wüste erkennt Jesus seine Berufung. Hier wird ihm klar, was vor Gott gilt, was allein wichtig ist. Und das ist der neue Stil, wie Gott mit den Menschen umgeht und wie die Menschen mit Gott umgehen dürfen. Dieser neue Umgangsstil heißt: Vertrauen und Liebe. Jesus geht an die Öffentlichkeit und zieht durch die Städte und Dörfer. Er zeigt den Menschen Umrisse eines ganz anderen Lebens, eines Lebens, nach dem sie sich zutiefst sehnen. Er hat für sie eine Botschaft, die menschlich ist, die Ängste nimmt und die aufatmen lässt. Im persönlichen Umgang mit den Menschen lebt Jesus vor und lässt sie wissen und spüren, dass Gott ihnen gut will, dass er sie liebt, vorbehaltlos liebt. - Das erleben die Menschen als Befreiung. Bis heute, wenn sie genau das in den Kirchen erkennen können und durch das Zeugnis glaubwürdiger Christen erleben. 
Das ist für mich entscheidend, warum ich Christ bin und bleibe. Die Vorstellung: der unbegreifliche Gott lässt es sich nicht in seinem Himmel wohl sein. Er überfordert uns nicht mit Gesetzen und Verboten. Er geht in der Gestalt Jesu einen Weg, den ich mitgehen kann. Das sagt mir auch: Gott ist in seinem Innersten menschlich. Menschlich im Sinne von ganz Mensch und menschlich durch Liebe.

 Ich wünsche Ihnen einen schönen Sonntag.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=12230
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