Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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„Unsere Kommunikation ist zeitnah, offen, ehrlich und verbindlich. Wir unterstellen uns untereinander gute Absichten. Wohlwollen bestimmt unsere Kultur der Zusammenarbeit. Das Gesamtinteresse des Unternehmens ist vorrangig vor dem Einzelinteresse."
Was ich soeben vorgelesen habe, sind die Regeln Nummero 3 und 4 der internen Kommunikation eines großen deutschen Unternehmens. Besonders ein Satz ist sehr umstritten: „Wir unterstellen uns untereinander gute Absichten."
Eigentlich hat die Firma nur auf der organisatorischen Ebene einige Umstrukturierungen vorgenommen. Aber nach über einem Jahr wird festgestellt, dass die neue Organisation noch nicht richtig funktioniert. Die neuen Rollen und Zuständigkeiten werden nicht wirklich gelebt.
Die Mitarbeiter fühlen sich überfordert, sie beklagen sich ständig über eine zu hohe Arbeitsbelastung. Eigentlich ist die Unternehmensführung bei der Umstrukturierung mit dem Ziel angetreten, die Mitarbeiter zu entlasten, Abläufe und Prozesse zu vereinfachen und zu verschlanken, Zeit und Geld zu sparen. Diese Ziele scheinen in weite Ferne gerückt zu sein, die Mitarbeiter zumindest empfinden genau das Gegenteil.
Das Alte ist immer noch, das Neue noch nicht. Es wird von vielen Menschen wie eine Art Schwebezustand empfunden. In dieser Spannung, das Alte ist immer noch, das Neue noch nicht wirklich kommt man schnell ins Jammern und Klagen und „früher war sowieso alles besser". Dafür, dass es nicht funktioniert, werden Gründe gesucht, wer hat was falsch gemacht, vergessen oder nicht besser gewusst: „Sündenbock" und „Schwarzer Peter".
„Wir unterstellen uns untereinander gute Absichten." ist das genaue Gegenteil.
Der Satz wird belächelt. Die Führungskräfte der verschiedenen Abteilungen sind so ehrlich, dass sie zugeben, dass ihre Realität oft anders aussieht. „Es sind oft Verteilungs- oder Machtkämpfe, die wir austragen" kommentiert ein Bereichsleiter. „Wir unterstellen uns untereinander gute Absichten." Der Satz macht auch neugierig, fasziniert und macht gleichzeitig auch Angst. Was wäre wenn wir tatsächlich so denken und handeln würden? Was würde sich nicht alles verändern, wenn wir uns untereinander in Zukunft tatsächlich nur gute Absichten unterstellen würden? Der Satz macht sehnsüchtig und lässt einen von einer entspannten und wohlwollenden Atmosphäre träumen. Das Miteinander wäre angenehm.
„Es gibt nichts Gutes, außer man tut es", sagte der Schriftsteller Erich Kästner: Also: „Wir unterstellen uns untereinander gute Absichten."

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