Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Es ist ein so richtiger Gefühlsmixtag, der Silvester. Nach den mehr oder minder besinnlichen Weihnachtstagen wird das Leben wieder schneller, bunter und lauter, heute Nacht jedenfalls. Die einen freuen sich mit Party das Jahr zu beenden und das neue zu begrüßen, die anderen lassen es eher ruhig angehen mit Gästen und Fondue. Und nicht wenige sind allein und schauen wehmütig oder dankbar auf das Jahr zurück. Bei mir ist es von allem etwas. Um mich zu sammeln, um Herz und Herrn zusammen zu bekommen, setze ich mich an Silvester immer eine halbe Stunde in mein Arbeitszimmer. Wenn es dunkel wird und bevor die Gäste kommen, zünde ich eine Kerze an und blättere meinen Terminkalender durch. Schaue mir das zurückliegende Jahr an, Monat für Monat, Tag für Tag. Es ist mir ein heiliges Ritual, bei dem ich mich auch nicht stören lassen will. Denn da liegt ein weiteres Lebensjahr vor mir, festgehalten in Tagesrubriken, Zahlen und Terminen. Da bekomme ich, weil ich ja in meinen Terminkalender schaue, zuerst mal Arbeit zu sehen, viel Arbeit, aber auch Feste, Geburtstage. Mit manchen Tagen verbinde ich Ärger, mit anderen Trauer. Ich werde erinnert an glückliche Stunden und an volles, pralles Leben, nicht nur in den Urlaubszeiten, die in meinem Terminkalender so sonderbar leer aussehen. Ich sehe schwere Tage mit Überlastungen und Traurigkeit. Dieses Jahr, genau dieses Jahr 2011 mit jedem einzelnen Tag ist ein weiteres Jahr, das dir geschenkt wurde. Ein Jahr mit einem Sommer, der keiner war, aber als Herbst nicht gehen wollte. Ein Jahr der Katastrophen und Unglücke, des Glücks, des Schmerzes und des Leids und der Freude, wie jedes Jahr. Im öffentlichen Leben wie auch in meinem privaten.  Ein Jahr, das nun bald unwiederbringlich vorbei ist. Und wie bei allem, was abgeschlossen ist, empfinde ich eine Mischung aus Zufriedenheit, Wehmut und Dank. Zufriedenheit über viele Dinge, die gelungen sind, die gut gegangen sind, die ich geschafft habe. Wehmut über die Abschiede, die ich zu nehmen hatte. Von Menschen, von Dingen oder von Leben, das nicht gelebt werden konnte. Und Dankbarkeit empfinde ich für alles zusammen. Ich lege es vor Gott, dieses mein Leben 2011. Mit allem, was drin war und nicht drin war. Dankbar für die Höhen und die Tiefen. Weil Leben immer beides ist.  Und die Höhen die Tiefen erträglicher machen und die Tiefen die Höhen bewusster und intensiver. Ich lege dieses Jahr vor Gott, danke ihm dafür und hoffe auf ein weiteres...

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