SWR1 3vor8

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An Weihnachten erlebt man, dass man aus einer Familie kommt. In diesen Tagen zeigt sich: Wir alle sind Kinder und wir bleiben es lebenslang. Auch wenn die eigenen Eltern vielleicht schon lange tot sind: Wir bleiben ihre Kinder. Man sieht uns die Abstammung an: Ich habe Vaters Nase und Hände, die dunkle Haut der Mutter, ihre Ordnungsliebe und den etwas strengen Zug, wenn es ernst wird. Wir tragen Erinnerungen mit uns herum, gute und schlechte, gerade in diesen Tagen. Wir sind geprägt in unserem Verhalten, sogar, wenn wir versuchen, alles ganz anders zu machen als Mutter und Vater.
Heute, am 1. Weihnachtstag, wird in den evangelischen Gottesdiensten noch an eine ganz andere Herkunft erinnert. Der Bibelabschnitt, der heute ausgelegt wird, der handelt auch von meiner Herkunft und von Ihrer. „Seht, wie groß die Liebe ist, die uns der Vater geschenkt hat: Wir heißen Gottes Kinder und wir sind es tatsächlich!" (1. Joh. 3,1) so fängt er an.
Wir sind Gottes Kinder. Gott selbst hat wieder daran erinnert, als das in Vergessenheit geraten war. Ein Kind wurde geboren - wir Christen nennen es Gottes Sohn - ein Kind, wie Sie und ich es auch waren. Später hat dieser Jesus gebetet: Vater unser! Und seine Nachfolger gelehrt, das auch zu tun. Vater unser: wir alle sind Gottes Kinder. Das ist unser Ursprung. Das ist unsere Herkunft.
Vielleicht sagen Sie jetzt: Davon ist bei mir nichts mehr zu sehen. Ich sehe im Spiegel nur noch die Enttäuschungen und Narben, die mir das Leben beigebracht hat. Vielleicht sagen Sie: Von dieser Herkunft will ich nichts mehr wissen und von diesen Brüdern und Schwestern erst recht nicht. Für manche Familienmitglieder muss man sich ja schämen! Da haben Sie wahrscheinlich sogar recht.
Aber Weihnachten erinnert trotzdem jedes Jahr daran. Wir sind Gottes Kinder. Mit uns allen hat es angefangen wie mit diesem Kind in der Krippe. Seine Fähigkeiten und Möglichkeiten, das sind auch meine. Seine Prägung durch den Gott der Liebe und der Barmherzigkeit - das ist auch meine. Wie sich dieses Erbe entfaltet, wie es der Welt und den Menschen gut tut, wenn ihnen ein von der Liebe geprägter Mensch begegnet: Die Weihnachtsgeschichte erzählt davon und die Geschichten von dem erwachsenen Jesus auch.
Wir alle sind Gottes Kinder, Sie und ich auch. Wir könnten nach diesen Wurzeln bei uns suchen, so wie man nach seinen familiären Wurzeln und Traditionen sucht. Es würde uns gut tun, glaube ich und den Menschen um uns herum auch. Anfangen könnte die Suche damit, das wir Kinder Gottes sagen: „Vater unser, geheiligt werde dein Name!"

https://www.kirche-im-swr.de/?m=12218
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