Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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„Seid nett zueinander unterm Weihnachtsbaum!" Ich kann das nicht mehr hören, schimpft ein junger Kollege. „Bitte kein Streit an Weihnachten!" Das ist doch verlogen! Warum soll ich auf einmal nett zu denen sein, die mir das ganze Jahr auf die Nerven gehen?
Ich verstehe den Kollegen ja. Ich glaube, ich habe früher so ähnlich gedacht. Es ist ja wahr: Manche Familienverhältnisse sind so, dass man sich ehrlicherweise am besten aus dem Weg geht. Auch an Weihnachten.
Aber so schlimm ist es ja meistens gar nicht. Und deshalb sehe ich das mit der Freundlichkeit unterm Weihnachtsbaum inzwischen anders. Und zwar wegen dem Licht. Von dem sagt ein Mann, den die Bibel zitiert: Gottes Erbarmen kommt zu uns. Er schickt sein Licht zu denen, die im Dunkeln sitzen.
Ich denke dabei an diesen Stall in Bethlehem. Über dem soll ja das Licht der Barmherzigkeit Gottes wie ein Stern geleuchtet haben. So ein barmherziges Licht, denke ich mir, das zerrt nicht alles hervor, womit die Menschen sich gegenseitig das Leben schwer machen. Das würde sie nur verzagt machen und trotzig. So ein barmherziges Licht, das zeigt vielmehr, was die Menschen brauchen und was das Leben leichter machen würde. Da sieht Maria, die glückliche Mutter, dass sie ihr so besonderes Kind nicht für sich behalten kann. Da sieht Josef, der verunsicherte Vater, wie sehr seine Familie ihn braucht. Da sehen die Hirten, dass Gott die nicht allein lässt, die sich mit ihrem Leben abmühen. Und drei Könige begreifen, dass Gottes Weg zu einem guten Leben anders geht, als sie sich das vorgestellt hatten. Das Licht der Barmherzigkeit Gottes lässt alles anders aussehen. Das gibt einem einen anderen Blick für die Menschen. Und dann kann das Leben anders werden.
Warum, frage ich mich jetzt immer öfter, warum soll das nicht auch unter dem Licht des Weihnachtsbaums gehen? Seine Lichter sollen doch erinnern an das barmherzige Licht Gottes, das damals über einem Stall aufgegangen ist.
In diesem Licht sehen Mutters Vorwürfe anders aus, finde ich. Statt „Nie rufst du an!" höre ich: „Melde dich doch ab und zu! Das würde mich beruhigen." Vaters nervige Ratschläge klingen plötzlich wie: „Ich würde dir so gern sagen, was ich darüber denke." Und die Angebereien des kleinen Bruders, die hören sich an wie: „Ich wünsche mir so, dass ihr seht, dass ich auch was kann!"
Eigentlich ist das doch gar nicht so schwer, wenn die Lichter erst einmal angezündet sind, finde ich. Auf einmal sieht man: so blöd sind die doch gar nicht!
Vor Gott stehen alle im Licht seines Erbarmens. Sie auch. Und ich auch. Und wo es vorher zu dunkel war, kann das Leben heil werden und wieder gedeihen. Gott sei Dank

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