Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Irgendwann muss man sich abfinden. Man kann nicht immerzu ankämpfen gegen Dinge, die nicht zu ändern sind. Dann muss man annehmen, was das Leben einem gebracht hat. Es ist gut, wenn man das kann, ohne darüber bitter zu werden.
Zacharias hat das so gemacht, scheint mir. Die Bibel erzählt von ihm und seiner Frau. Bei ihnen war es der Traum von einem eigenen Kind. Sie haben keins bekommen, das war ein großer Kummer für sie - aber irgendwann haben sie sich abgefunden. Jetzt sind wir zu alt, mussten sie sich sagen. Jetzt ist es zu spät. Zacharias hat sich auf seine Arbeit konzentriert und die tägliche Routine hat ihm geholfen, mit der Enttäuschung fertig zu werden.
Viele sehen irgendwann alt aus, weil sich ihre Hoffnungen nicht erfüllt haben. Und manche werden dann bitter davon und starr und steif und unbeweglich. Dann sieht man gar nicht mehr, was doch noch möglich wäre. Vielleicht bloß ein bisschen anders, als geplant. Für alle, denen es so geht, möchte ich heute die Geschichte von Zacharias erzählen. Der hat erlebt, dass Gott mehr Möglichkeiten hat, als man glaubt. Ein Engel, hat er später erzählt, ein Bote von Gott, hat ihn wissen lassen: Es ist nicht zu spät! Gott wird dir einen Sohn schenken. Deine Frau wird ein Kind zur Welt bringen, das sollst du Johannes nennen.
Ein Bote von Gott macht die Hoffnung neu. Zacharias begreift:. Die Möglichkeiten Gottes sind nicht zu Ende, wenn meine Träume ausgeträumt scheinen.. Das belebt ihn. Das macht ihn wieder lebendig. Auf einmal ist die Hoffnung wieder da. Zuerst wehrt sich Zacharias sogar dagegen: Soll denn jetzt noch mal sein ganzes Leben anders werden? Wird er dem gewachsen sein? Will er das überhaupt, jetzt noch?
Aber die Hoffnung lässt ihn nicht mehr los. Sie gibt ihm neue Lebenskraft. Und ein paar Monate später wird sein Sohn geboren.
Ich weiß: Nicht jedem erscheint ein Engel. Aber vielleicht ist ja diese Geschichte von Zacharias auch so ein Anstoß von außen, der neue Möglichkeiten zeigt und die Hoffnung wieder aufweckt. Mir jedenfalls hat diese Geschichte vor ein paar Tagen die Frage gestellt: vielleicht habe ich mich zu früh abgefunden? Vielleicht gibt es auch für mich noch mehr und andere Möglichkeiten, als ich mir bisher vorstellen konnte? Vielleicht sehe ich sie bloß nicht, weil ich mich längst abgefunden habe?
Zacharias hat am Ende ein Loblied gesungen. Gottes Licht leuchtet denen, die im dunkel sitzen, heißt es darin. Ich wünsche ihnen und mir zu Weihnachten, dass wir auch so singen können.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=12154
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