Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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„Befehlsfreier Raum“ – an dem Wort bleibe ich hängen, als ich ein Informationsblatt für junge Soldaten lese. Da wird berichtet, dass die Militärseelsorge im deutschen Camp der Bundeswehr in Kabul / Afghanistan an ihrer Unterkunft dieses Schild hängen hat: Befehlsfreier Raum. Sehr schnell hat sich dieser Raum zu einem ganz wichtigen Treffpunkt für Soldaten aller Dienstgrade entwickelt, habe ich da gelesen. Den ganzen Tag über wird er besucht. Manche nutzen ihn für Gespräche. Manche finden hier einen Platz, wo man einander gut zuhören kann. Vor kurzem ist ein älterer Unteroffizier hereingekommen, um einmal für sich zu sein und zu weinen.

Befehlsfreier Raum , das ist für die Soldaten anscheinend wie eine Oase in der Wüste, wie eine Insel im Meer. Eben ein Ort, an dem das nicht gilt, was sonst alles bestimmt mit Anordnungen, mit denen alles geregelt wird und nach eingefahrenen Zwängen funktioniert. Hierher kann man sich zurückziehen und von hier wieder zurück gehen ins Alltagsgeschäft. Die Soldaten in Afghanistan sind in einer besonders gefährlichen Situation. Sie sind weit weg von ihrer Heimat und den Menschen, die zu ihnen gehören. Sie brauchen diesen befehlsfreien Raum besonders dringend.

Aber die Mitarbeiterinnen in dem hektischen Betrieb eines Büros oder die Beschäftigten im Stress einer Firma brauchen einen solchen befehlsfreien Raum ebenso. Wahrscheinlich brauchen so einen Ruheplatz alle, die ihre täglichen Aufgaben und Sorgen mit den Menschen um sich herum oder mit ihren Dienstplänen zu bewältigen haben. Einen Raum oder eine Zeit ohne Druck von außen, einen Platz, an dem es ruhig ist und ich zu mir kommen kann. Eine Möglichkeit abzuschalten oder mich einfach fallen lassen zu können, das tut gut. Und zu diesem befehlsfreien Raum und einer Zeit ohne Druck gehören auch Menschen, die mir zuhören oder einfach da sind. Ich brauche die Erfahrung , dass ich frei werden kann von dem Druck, der mich antreibt.

Der Sonntag heute ist auch so etwas wie ein befehlsfreier Raum. Wenn ich mir die Zeit nehme und sie den Menschen widme, für die ich sonst zu wenig Zeit habe, dann tut das ihnen und mir gut. Wenn ich die Gelegenheit wahrnehme, auf das zu hören, was Gott mir zu sagen hat, dann kann mich das ermutigen und mich auf neue Wege bringen. Vielleicht ist gerade der Sonntag heute dafür geeignet. Es lohnt sich , einen solchen Raum ohne Zwang und eine Zeit ohne Druck immer wieder zu suchen und zu nutzen.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=1209
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