SWR1 3vor8

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Ist es gut, die Zukunft zu kennen? Was meinen Sie: Wollen sie wissen, wie es weitergeht, mit ihrem Leben, mit unserer Welt, mit der Schuldenkrise, mit Stuttgart 21?
Eine Pfarrerin hat ihre Konfirmanden danach gefragt. Keiner und keine einzige wollten es wissen. „Will ich wissen, wann ich sterbe?" hat eine geantwortet, „man verliert die Lebensfreude, wenn es etwas Schlechtes ist", hat eine andere gesagt. Vielen macht die Zukunft Angst - jedenfalls das, was ich mir vorstellen kann. Deshalb will ich lieber nicht wissen, was kommt.
Niemand kann es wissen, lese ich auch in der Bibel. In der Offenbarung des Johannes hat ein Gemeindeleiter aufgeschrieben, was er glaubt und hofft, verschlüsselt in Visionen und Bilder und Träume, weil er in Verfolgungszeiten lebte. Johannes schreibt von einem Buch mit sieben Siegeln (Offb. 5, 1). Darin ist die Zukunft aufgeschrieben. Gott hat es in der Hand. Niemand kann wissen, was darin steht. Das ist bis heute sprichwörtlich: Niemand kann wissen, was in einem Buch mit sieben Siegeln steht. Deshalb soll auch keiner so tun, als ob er es wüsste. Die Zukunft ist immer mehr als das, was wir erwarten, errechnen und prognostizieren. Wer die Zukunft nur hochrechnet aus dem, was man jetzt schon sieht, der rechnet nicht damit, dass sich was ändern kann. Im Gegenteil - der gibt die Hoffnung auf und resigniert. Wenn es jetzt nicht gut geht mit meiner Ehe - dann muss ich annehmen, dass es immer frostiger wird und irgendwann zu Ende ist. Wozu sollte ich mir dann Mühe geben? Aber die Zukunft könnte ja auch ganz anders aussehen. Es könnte sich ja was ändern. Ich könnte was ändern. Ich könnte mich ändern. Niemand weiß, was die Zukunft bringt. Ein Versuch lohnt sich also.
Die Zukunft ist ein Buch mit sieben Siegeln. Gott sei Dank. Es ist anders gekommen, als die Christen damals befürchtet haben, die wie Johannes bedroht und verfolgt wurden. Es kann auch ganz anders werden, als wir es jetzt befürchten.
Am ersten Advent erinnern wir Christen uns ja genau daran: Wir schauen voraus auf Weihnachten. Die Leute, die damals von den Ereignissen im Stall in Bethlehem betroffen waren, hatten auch Angst vor der Zukunft. Auch sie hatten die schlimmsten Befürchtungen. Aber es kam ganz anders und es fing ganz anders an, als sie sich das hätten vorstellen können: mit einem wehrlosen Kind in einem armseligen Stall hat sich die Welt verändert.
Wir heute kennen die Zukunft nicht. Aber ich bin überzeugt: Gott hat mehr Möglichkeiten, als ich mir vorstellen kann. Er kann es gut machen. Damit will ich rechnen und versuchen, mich darauf einzustellen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=12017
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