Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Burnout heißt: total erschöpft. Burnout ist eine Zivilisationskrankheit in unserer überdrehten Welt. Professorinnen sind davon betroffen und Fußballtrainer, Manager und Banker, alleinerziehende Mütter und Kassiererinnen, und Lehrer und Pfarrerinnen. Jeden kann es treffen. Jeden, der von inneren oder äußeren Antreibern getrieben wird, die ihm sagen: „Sei perfekt!" oder „Mach es allen recht!". Wer spürt, wie die Anforderungen immer mehr werden und meint, dass er sie mit immer mehr Arbeit bewältigen kann, der ist irgendwann erschöpft. Dann geht gar nichts mehr. Dann braucht man den Arzt, dann braucht man eine Therapie.
Aber man muss es nicht dazu kommen lassen, hat mir ein Arzt gesagt. Zur Vorbeugung würden oft zwei Dinge reichen. Regelmäßigkeit und Ruhepausen. Regelmäßigkeit gibt Halt, damit das Leben nicht aus dem Ruder läuft, hat er gesagt. Und Ruhepausen seien eine gute Vorbeugung gegen Burnout.
Seitdem achte ich noch mehr als vorher auf den Sonntag, diese großartige Gelegenheit zu einer regelmäßigen Pause. Gott selbst hat sie in den Rhythmus des Lebens eingezogen. „Am siebten Tag sollst du keine Arbeit tun", heißt das 3. Gebot. (2. Mose 20, 10).
Mir ist deshalb der Sonntag heilig. Manchmal bitte ich Kolleginnen und Kollegen ausdrücklich, darauf Rücksicht zu nehmen. Manchmal muss ich selber mich in der Woche ein bisschen mehr ranhalten, damit es klappt mit dem freien Sonntag. Aber ich merke: das hilft mir. Die Aussicht auf den Sonntag beflügelt mich im Alltag. Die Aussicht auf diesen einen Tag in der Woche gibt mir das Gefühl einer besonderen Freiheit.
Das Gefühl, total überanstrengt zu sein, kommt nach meiner Erfahrung daher, dass ich pausenlos das Gefühl habe: ich muss doch noch dies und sollte noch jenes. Am Sonntag muss ich gar nichts. Jedenfalls meistens - manchmal muss ich Gottesdienst halten. Ich bin ja Pfarrerin. Aber sogar dann - abgesehen von der einen Stunde muss ich gar nichts mehr am Sonntag. Ich muss auch nicht überlegen: Wie schaffe ich meine Aufgaben, wie kann ich das möglichst effektiv organisieren, was ich muss, wie komme ich durch, durch die vielen Anforderungen. Am Sonntag habe ich frei. Am Sonntag - oder an einem anderen Tag, wenn man sonntags arbeiten muss - bin ich frei. Da muss ich nicht denken: Wie komme ich durch. Da kann ich spüren: das Leben ist nicht eine Herausforderung. Nicht ich muss immerzu etwas bringen. Mein Leben ist ein Geschenk. Und es lohnt sich, dieses Geschenk zu erkunden. Zu sehen, zu schmecken und zu riechen, wie viel es mir zu bieten hat. Ich finde: Immer am Sonntag entzündet sich die Lebensfreude neu.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=11948
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