Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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23NOV2006
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Vor kurzem haben sich Politiker darum gestritten, ob unsere Gesellschaft in Schichten aufgeteilt sei oder nicht, ob es Ober- Mittel- und Unterschicht gäbe. Ich hatte den Eindruck, manche Politiker wollten damit sagen, dass es in unserem reichen Land keine Armen gäbe. Das hat mich geärgert. Natürlich gibt es Arme, viele sogar und immer mehr.
Der von der Bundesregierung heraus gegebene Bericht über Armut und Reichtum sagt aus, dass besonders Alleinerziehende und Familien mit mehr als drei Kindern von Armut betroffen sind. Ich finde das erschreckend.
Läden, die Lebensmittel und Kleider billiger anbieten, haben immer mehr Zulauf, und auch Suppenküchen. Mit Hartz IV und Arbeitslosengeld II lässt es sich nur schwer haushalten: ca. 900 Euro für eine allein erziehende Mutter mit zwei Kindern; 345 Euro für Singles. Wer weniger als 730 Euro im Monat zur Verfügung hat, gilt nach offiziellen Angaben als arm. Das sind 15% der Bevölkerung.
In diese Situation der Armut kann heute in Deutschland jeder kommen, der länger als ein Jahr arbeitslos ist. Daneben gibt es die vielen, die trotz Arbeit nicht mehr oder sogar noch weniger zur Verfügung haben. Natürlich verhungert bei uns dadurch niemand, aber die Armen werden vielfach abgestempelt und ausgegrenzt. „Selber schuld“, sagen viele. Aber was können die über eine Million Kinder und Jugendlichen dafür, wenn ihre Eltern arbeitslos werden? Gerade sie leiden besonders darunter, haben mehr seelischen Stress in der Familie, schlechtere Ausbildungschancen und ein höheres Gesundheitsrisiko.
Nun könnte man sagen: Kirche, bleib bei deinem Leisten, misch dich nicht in Dinge ein, die dich nichts angehen. Ich sehe das anders.
Der Platz der Kirche ist bei den Armen. Viel zu oft hält sie sich bei den Reichen und Mächtigen auf. Dort aber, und das geschieht überall auf der Welt, wo die Kirche diesen Auftrag für die Armen wahrnimmt, gewinnt sie an Glaubwürdigkeit, weil die Liebe Gottes verkünden und nach Gerechtigkeit streben zwei Seiten derselben Medaille sind. Fromm sein und gerecht sein gehören untrennbar zusammen.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=119
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