Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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"Was Du auch tust, bedenke das Ende".
Dieser Satz stammt aus der Weisheit des Alten Testaments. (Sirach 7,36) Für den einen mag das eine Aufforderung sein, vielleicht eine Ermutigung, für den anderen eher eine Zumutung, wenn nicht eine Provokation. Wie auch immer, dieser Satz ist heute Bestandteil jeder Unternehmensberatung: Erfolgreich ist, wer den Blick auf das Ziel seiner Bemühungen richtet. Und wer sich auch die positiven Gefühle vorstellt, wenn er sein Ziel erreicht hat. Gute Seelsorge und gute Psychotherapie gehen davon aus: Was ich mich traue anzuschauen und auszusprechen - das verliert seinen Schrecken. Wer versucht, sich mit dem eigenen Sterben auseinander -zusetzen, der erschwert nicht sein Leben, sondern erleichtert es. Was geklärt ist, belastet nicht, nicht mehr allzu sehr. Seit ich mit solchen Gedanken umgehen kann, stelle ich mir ab und zu vor: angenommen - heute ist mein letzter Tag. Wo möchte ich die letzten Stunden verbringen? Und mit wem? Was für schöne Gedanken kämen zur Sprache? Was müsste ich klären, was verzeihen und wen um Verzeihung bitten? Wofür danken? Bei solchen Gedanken sind mir die Worte des Dichters Rainer Maria Rilke (1875-1926) lieb geworden: „Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen, die sich über die Dinge ziehn. Ich werde den letzten vielleicht nicht vollbringen, aber versuchen will ich ihn." Und was kommt „drüben" auf mich zu? - Da lasse ich mich überraschen. Da setze ich vertrauensvoll auf Gott - gegen Null und Nichts. Ich hoffe, dass es im Tod nicht aus und vorbei ist. Ich hoffe, dass ich einmal zu Gott heimgehe, in sein helles, wunderbares Licht. Und wenn bis zuletzt auch der Zweifel bleibt, sehe ich für mein Leben nichts verloren. Ich habe in jedem Fall froher, sinnvoller und glücklicher gelebt, als wenn ich diese Hoffnung nicht gehabt hätte

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