SWR3 Gedanken

SWR3 Gedanken

„Ich habe Alzheimer. Seit Kurzem weiß ich es." Völlig unvermittelt kommt dieser Satz. Wie ein Hammerschlag. Mitten in einem langen und netten Gespräch in einer Dorfkirche in den Niederlanden. Ein alter Holländer hat mitbekommen, dass wir deutsch sprechen und sich sofort zu uns gesellt. Eine ganze Weile haben wir dann miteinander erzählt. Davon, dass er als Ingenieur viele Jahre in Deutschland gearbeitet hat. Dass er dabei unsere Kultur kennen und schätzen gelernt hat und so fort. Es war eigentlich eine banale Frage, auf die er mir dann sagte: „Ich kann ihnen leider keine Antwort geben, ich weiß es nicht mehr. Ich habe Alzheimer." Er sagte das nicht verschämt, nicht verbittert, nicht traurig. Vielmehr so, als sei es das Normalste von der Welt. Erst war ich geschockt und dann verblüfft.
„Wissen sie", sagte er dann, „ich habe mir angewöhnt, das Leben anzunehmen, wie es kommt. Es bringt nichts, sich ständig über alles Mögliche zu ärgern und aufzuregen. Man wird irgendwann depressiv." Er wusste ganz genau, was die Diagnose seiner Krankheit bedeutet. Wie die Entwicklung weitergehen wird, langsam aber sicher. Doch er strahlte eine tiefe Lebensfreude und -zufriedenheit aus.
Unser Gespräch hat mich noch lange beschäftigt. Ob ich das so sagen könnte? Nimm das Leben an, wie es kommt und mach das Beste daraus. Sätze sind leicht gesagt. Sie auch zu leben unendlich viel schwerer. Manchmal braucht es wohl die Begegnung mit solchen Menschen wie dem alten Niederländer. Einfach um zu wissen: Ja, man kann es wirklich. Vielleicht ja auch ich.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=11861
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