Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Jetzt kommen sie wieder in die Schaufenster. Gerade in der dunklen Jahreszeit haben sie Konjunktur: die Engel - die Boten Gottes.
Vom Kopf her denke ich: Ich brauche eigentlich keine Boten von Gott. Keine Gestalten, die mir Gott auf die Erde holen und greifbar machen. Mein Gott ist ein persönlicher Gott, er ist nicht weit weg, er ist bei mir.
Soweit mein Kopf. Mein Herz dagegen ist durchaus ansprechbar für diese guten Mächte Gottes.
„Von guten Mächten wunderbar geborgen, erwarten wir getrost was kommen mag" heißt es in einem Gedicht von Dietrich Bonhoeffer, dass ich sehr liebe. „Gott ist bei uns am Abend und am Morgen. Und ganz gewiss an jedem neuen Tag."
Als Bonhoeffer dieses Gedicht schrieb, war er im Gefängnis und erwartete seine Hinrichtung. Und in dieser Grenzsituation fand er etwas, das ihm half, seine Situation zu ertragen: er entdeckte seinen alten Kinderglauben wieder.
„Von guten Mächten treu und still umgeben" - Mit diesen Worten gibt Bonhoeffer die Worte wieder, mit denen seine Mutter ihn und seine Geschwister in den Schlaf gesungen hat: „Abends, wenn ich schlafen geh, vierzehn Englein bei mir stehn, zwei zu meiner Rechten; zwei zu meiner Linken; zwei zu meinen Häupten; zwei zu meinen Füßen; zwei, die mich decken; zwei, die mich wecken; zwei, die mich führen ins himmlische Paradies."
Als Kind waren ihm diese 14 guten Mächte Gottes ein Schutz vor allen Unsicherheiten der Nacht und des Tages. Jetzt - in seiner Grenzsituation - werden sie ihm wieder Schutz und Schild.
„Wir leben in einem großen unsichtbaren Reich", schreibt er an seine Verlobte. „Und die Bewahrung am Abend und am Morgen durch gute unsichtbare Mächte ist etwas, was wir Erwachsenen heute nicht weniger brauchen als die Kinder."
Sicher: Als Kind hätte Bonhoeffer sich wahrscheinlich vorgestellt, dass seine guten Mächte erfolgreich gegen das Böse kämpfen, ihn aus seinem Unglück befreien und in eine glückliche Zukunft führen. Als Erwachsener weiß er, dass Gottes Schutz und Schild keine Zaubermacht ist. Nichts, das einem alles Unheil erspart. Aber trotzdem stark und wirksam. Denn Gottes gute Mächte schützen unsere Seele vor allem, was Leid und Böses ihr tun können.
Gottes gute Mächte. Ich finde es einen schönen Gedanken, dass Gott mit ihnen einen Schutzschild um meine Seele aufrichtet. Einen Schutzwall, der dafür sorgt, dass all das Böse und das Leid, das mir begegnet, nicht mein Herz und meine Seele zerstören können.
Von guten Mächten wunderbar geborgen - ich bin froh, dass ich sie in meinem Leben habe: Gottes gute Mächte.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=11853
weiterlesen...