Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Wieder einmal bin ich auf dem Friedhof zu einer Beerdigung.
Es ist November, trübes, nasskaltes Wetter. Genauso trüb wie das Wetter sind meine Gedanken.
Ich gehe durch raschelndes, sterbendes Laub. Lichter auf den Gräbern, weinende Menschen. Überall entdecke ich nur Zeichen von Tod, Sterben, Verlust, Trauer.
Da geht von einem Grab jemand weg- Moment mal, die kenne ich doch - das ist doch die alte Dame, die weit über 90 noch jeden Tag ihre Runde im Schwimmbad schwimmt. Das ist doch- aber Halt. Das kann doch gar nicht sein! Die habe ich doch erst vor kurzem beerdigt!
Völlig verwirrt schaue ich genauer hin. Nein, natürlich ist sie es nicht! Und doch: einen Moment lang habe ich geglaubt sie zu sehen.
Gerade am Grab habe ich mit Paulus gesagt: „ Christus ist auferstanden und ist der erste von denen, die auferstehen!"
Wenn das wahr ist, dann ist der der gestorben ist, auch nicht einfach weg.  Wenn das wahr ist, dann hat die Trauer nicht das letzte Wort. Dann steht am Ende unseres Lebens nicht Tod sondern neues Leben! Und irgendwann das große Wiedersehen.
Wenn das wahr ist mit der Auferstehung. Ist das wahr? Ich kann es nicht beweisen. Aber das ist meine Hoffnung. Und darum will ich daran glauben. Ganz fest, was sonst?!
Und während ich das so vor mich hin denke, spüre ich, wie sich meine Stimmung verändert. Wie ich plötzlich andere Dinge sehe- schöne Dinge. Da ist Efeu gepflanzt. Saftig grün mitten im braunen, abgestorbenen Laub.
Vom nahen Spielplatz höre ich Kinderlachen.
Ein Eichhörnchen sammelt vor meinen Füßen Nüsse und schon ist es wieder auf einem Baum.
Hier ist ja überall Leben! staune ich. Ich habe es vorher nur nicht gesehen!
Ja, ich hoffe, dass das Leben stärker ist als der Tod. Und das befreit meine Augen dazu das Leben neu zu sehen.
Sogar auf einem Friedhof mitten im November.

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