Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

„So geht das nicht weiter!" Immer wieder stelle ich das fest. Mal an Nebensächlichkeiten, die mich aber trotzdem belasten. Mal an ganz wichtigen Dingen. Ich merke: Über etwas, das nicht stimmt, nur zu klagen, verändert nichts. Ich muss daran schon aktiv etwas verbessern oder umgestalten.
Genau heute vor 494 Jahren hat Martin Luther das getan. Mit Blick auf viele Missstände, die damals in der Kirche herrschten und die die Gläubigen in große Bedrängnisse brachten, hatte er 95 Thesen formuliert, die besagten: So geht es nicht weiter! Was ursprünglich als Diskussionsbeitrag unter Theologie Studierenden und Professoren gedacht war, löste allerdings eine riesige Bewegung aus, die unter dem Begriff „Reformation" in die Geschichtsbücher eingegangen ist. Die evangelischen Kirchen begehen deshalb heute „Reformationstag" als Feiertag.
Als Angehöriger einer anderen Kirche reizt mich an dem Wort „Reformation" seine wörtliche Bedeutung: „etwas zurückordnen". Ich muss dabei an Reformbewegungen aus der Geschichte der Orden denken. Die Zisterzienser zum Beispiel haben sich aus dem Benediktinerorden entwickelt, weil es seinerzeit keine andere Möglichkeit gab, zum Ursprünglichen zurückzufinden: zur Regel Benedikts und ihrem Geist. Das Neue war eigentlich eher etwas Altes, Bewährtes, von dem man sich im Laufe der Zeit in einem Maß entfernt hatte, das vielen unverantwortlich erschien. „So geht es nicht mehr weiter!"
Auch heute ist innerhalb und außerhalb der Kirchen zu hören, dass es so nicht mehr weitergeht. „Ecclesia semper reformanda", lautet ein oft zitiertes Wort, „die Kirche muss ständig reformiert werden". Gemeint ist dieses „zurückordnen", die Rückbesinnung auf das, was eigentlich Aufgabe der Kirche ist: Jesus als den zu bezeugen, der lebt und der, von Gott gesandt, Menschen auch heute zu einem befreiten, glücklichen Leben führt. Ohne mich ist das aber nicht möglich. Denn nicht zuerst die anderen und auch nicht zuerst die Kirchenleitung sind mit „Kirche" gemeint. Auch ich bin „Kirche".

https://www.kirche-im-swr.de/?m=11812
weiterlesen...