Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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„Lass mich bloß mit Deinem Europa zufrieden. Das kostet doch bloß unser Geld." Michaela hat mir das geschrieben. Hingeknallt hat sie es mir. Sie neigt zum Provozieren. Schon als Konfirmandin früher. Aber vor allem wollte sie immer eine ehrliche Reaktion. „Na, was sagst Du jetzt, Herr Pfarrer? Warum ist dir dieses Europa immer noch so wichtig?"
Ja, warum? Auch als Christ?
Ich habe eine Antwort versucht. Sie ist persönlicher geworden, als ich zuerst gedacht habe. Ich habe gespürt, Europa ist für mich viel mehr als eine Geldsache. Und dass wir in Zukunft mehr Europa brauchen, nicht weniger:
Ich habe Michaela von meinem Urlaub erzählt. In Danzig. Ich habe in dieser Stadt gespürt. Europa ist eigentlich ein „historisches Wunder", das wir bewahren und ausbauen müssen. „Mein Vater und Dein Großvater" hab ich ihr geantwortet, „die waren beide auch in Polen. Nicht auf Urlaub. Ihr Deutschland hat sie damals losgeschickt, um Polen zu überfallen." In Danzig hat der Wahnsinn des Zweiten Weltkriegs angefangen. Vor gerade zwei Generationen.
Europa ist durch dieses Leid durchgekommen. Und ich bin heute den Polen in Danzig willkommen. Für mich ist in Europa etwas wirklich geworden, was Jesus in der Bergpredigt gesagt hat:
Liebt eure Feinde,... damit ihr Kinder seid eures Vaters im Himmel. Denn er lässt seine Sonne aufgehen über Böse und Gute und lässt regnen über Gerechte und Ungerechte."
Und was mich in Danzig auch beeindruckt hat: Das Denkmal der Gewerkschaftsbewegung Solidarnosc. Es erinnert an deren Kampf um Demokratie und Freiheit in den 80er Jahren. Drei große Kreuze ragen da in den Himmel. Kein Zufall. Der christliche Glaube hat vielen damals die Kraft gegeben und den Mut, aufzustehen und für Freiheit und ein besseres Leben zu kämpfen. Und der damalige Papst aus Polen, Johannes Paul II, hat sein Teil beigetragen, dass unser Europa heute von Griechenland bis Irland reicht und von Portugal bis Estland.
Und darum muss es jetzt weiter gehen mit Europa. Nicht rückwärts. Wie? Ich finde, dazu hat Jesus auch Gutes gesagt in der Bergpredigt: Trachtet nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit."
Es macht mir Mut, dass viele Menschen in Europa aufstehen -grade Jüngere- und sagen: Es muss gerechter werden in Europa." Man kann die Finanzwelt nicht so machen lassen. Damit die sozialen Unterschiede wieder weniger werden und das Miteinander gerechter. Aber ich glaube, das geht nur mit Europa, nicht wenn wir es egoistisch kaputt gehen lassen.

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