SWR1 3vor8

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„Was ist Wahrheit?" - so lautet die letzte Frage, die der römische Statthalter Pilatus an Jesus gerichtet hat, bevor er gekreuzigt wurde. (Johannes 18,38) Interessant ist: Jesus hat darauf nicht geantwortet.
Und dann ist da der Apostel Paulus. Wie kein anderer hat er den christlichen Glauben von Anfang an geprägt. Dabei ging es Paulus immer um die Wahrheit des Glaubens.
In einem Brief an die christliche Gemeinde in Thessaloniki in Griechenland bedankt er sich bei den Gläubigen: dass sie seine Verkündigung nicht als Menschenwort angenommen haben, sondern - „was es in Wahrheit ist" so Paulus - als Gotteswort. Das ist heute in den katholischen Gottesdiensten zu hören. - Das ist heftig: Paulus nimmt für sich in Anspruch, dass seine Verkündigung Gottes Wort ist.
Die Wahrheit des Glaubens. Es ist noch nicht lange her, da dachten viele noch, dass es wenigstens in den wichtigsten Fragen möglich sein müsse, die Wahrheit zu definieren. - wenn es um Gott, um das Leben und um das Wesen des Menschen geht.
Inzwischen haben wir erkannt, dass unsere Gedanken, Fragen und Antworten im Blick auf Wahrheit auch davon abhängen, wie wir gelernt haben zu leben und zu denken. Das gilt auch für den Glauben und für die Theologie.
Ein Blick auf das Leben und Wirken des Apostels Paulus kann das verdeutlichen. Sein Glaubensweg führte vom unerbittlichen Verfolger der frühen Christen hin zum einflussreichsten Verkünder der christlichen Botschaft. Diese Wende zeigt einen Menschen, der sich ein Leben lang nach der Wahrheit gesehnt und sie gesucht hat. - Paulus konnte dann auch nicht verhindern, dass schon zu seinen Lebzeiten die Christen ihren Glauben auch anders gedacht und gelebt hatten als er dies getan hat.
Das beruhigt mich. Es geht immer auch um meinen ganz persönlichen Glauben: Was glaube ich? Was ist für mich wahr?
Ich bin überzeugt: Auf dieser Welt besitzt niemand die ganze und reine Wahrheit. Die Wahrheit ist nicht nur auf der einen Seite, und nicht nur auf der anderen. Die Wahrheit des Glaubens kann nur von Gott erbeten und im Dialog gesucht werden.
In meinem Glaubensleben habe ich erfahren: Ich habe und brauche nicht die ganze Wahrheit, wünsche mir aber so viel, dass ich spüre, wo es lang gehen könnte. Und ich möchte Menschen begegnen, die mitgehen.
Ich wünsche Ihnen einen schönen Sonntag.

1 Thessalonicher 2,7b-9.13
31. Sonntag im Jahreskreis  (A)

https://www.kirche-im-swr.de/?m=11776
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