Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Guten Morgen.
Es ist gut, wenn man sich an Dingen festhalten kann, die einem vertraut sind. Nach der Rückkehr von einer Ferienreise, bei der ich viel unterschiedliches erlebt habe ist mir die eigene Wohnung wieder vertraut. Die Möbel, der Geruch, das einfallende Sonnenlicht. Der Blick aus dem Fenster. Am Baum neben der Kreuzung sehe ich die jeweilige Stimmung der Jahreszeit. Die Gewohnheiten des Partners sind vertraut, immer wiederkehrende Festtage, die Stimmen der Nachbarn und das Bellen ihres Hundes. Vertrautes gibt Sicherheit. Wenn ich mich sicher fühle, brauche ich keine Angst zu haben.
Ganz anders ist es, wenn diese Sicherheiten wegfallen, wenn Veränderungen anstehen. Ein Umzug, eine neue Partnerschaft, eine neue Arbeitsstelle oder der Wechsel in den Ruhestand oder gar in die Arbeitslosigkeit. Dann kann sich die Angst melden. Die Angst etwas zu verlieren, etwas falsch zu machen, etwas zu verpassen. Die Angst, der neuen Situation nicht gewachsen zu sein.
Das ist fast in jeder Umbruchphase so. Im Kleinen wie im Großen. Im Privaten, wie im Politischen. Was mich immer wieder erstaunt: Angst scheint ein Tabuthema zu sein. Wer redet schon gerne darüber, dass er Angst hat. Angst etwas nicht zu wissen, in den Augen anderer etwas falsch zu machen. Wer redet schon gerne über seine Gefühle, den richtigen Augenblick für eine Entscheidung verpassen zu können. Wo gebe ich zu, dass ich Angst habe, weil ich mich einer neuen Situation nicht gewachsen fühle?
In einer öffentlichen Debatte, in einer politischen Partei, in der Firma, in der Familie oder Partnerschaft: traut man sich denn, diese Themen offen anzusprechen? Wir wissen ganz genau: reden hilft. Ich mag die wohltuende Wirkung des miteinander Redens.
Reden hilft, sich die Angst von der Seele zu nehmen. Reden hilft, Missverständnisse auszuräumen, kulturelle Unterschiede zu erklären. Reden hilft, Verständnis beim Gesprächspartner zu bekommen, Reden hilft, Bedürfnisse auszusprechen, Inhalte zu klären. Reden hilft, Angebote zu machen, Lösungen vorzuschlagen, Konflikte zu lösen. Reden hilft, Frieden zu schließen.
Bei seinem Deutschlandbesuch trifft sich heute der Papst mit den Vertretern der Evangelischen Kirche in Erfurt. Für dieses Gespräch wünsche ich diese wohltuende Wirkung des miteinander Redens.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=11527
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