Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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"Heidenspaß statt Höllenangst" ist das Motto derjenigen, die in diesen Tagen zu Gegendemonstration und Kundgebungen in Berlin und in Thüringen aufrufen anlässlich des Papstbesuches in Deutschland. Das Motto ist griffig. "Heidenspaß statt Höllenangst". Die Demos sind gegen die Politik des Papstes gerichtet. Die Veranstalter behaupten, die Geschlechter- und Sexualpolitik der katholischen Kirchenleitung diskriminiere Menschen. In einer Erklärung formulieren sie: „Wir wenden uns gegen den Papst als einen der Hauptverantwortlichen für die Unterdrückung von Lesben, Schwulen und Transgender auf der Welt." Schwere Vorwürfe. Tatsächlich nennt der Papst die Gesetze zur rechtlichen Anerkennung gleichgeschlechtlicher Paare „Legalisierung des Bösen". Die freiheitliche demokratische Gesellschaft hat er einmal eine „Diktatur des Relativismus" genannt. Diese Formulierungen, oft aus dem Zusammenhang gerissen, sind provokant und sicher nicht hilfreich für angemessene Auseinandersetzungen.
Es handelt sich dabei aber nicht um religiöse Diskussionen, nicht um Glaubensfragen, sondern um moralische Fragen und den Versuch, politische Entscheidungen zu beeinflussen. Ich würde gerne die Kirche im Dorf lassen.
Man kann die Sexual-Politik und das Kondomverbot des Papstes verurteilen oder gut heißen. Man sollte bedenken, dass diese Haltung in vielen Ländern die AIDS-Prävention erschwert, zum Beispiel Krankenschwestern in schwere Gewissenskonflikte stürzen kann, wenn Krankheit und Tod von Menschen in Kauf genommen wird.
Mit dem Slogan „Heidenspaß statt Höllenangst" kann man keine Sachdebatte führen. Das Motto suggeriert, dass gläubige Menschen keinen Spaß kennen würden oder sogar keinen Spaß am Leben hätten. Der Papst, die Katholische Kirche und alle Katholiken werden zum Feindbild hochstilisiert. Es ist immer leichter, sich selber in Abgrenzung zu einem konkreten Feind zu definieren.
Gläubige Menschen können politisch sehr unterschiedlich denken und sich engagieren. Ob links oder konservativ, ob grün oder liberal. Alles kann christlich begründet sein. Feindbilder aber helfen, aus meiner Sicht, nicht weiter. Toleranz heißt nicht, dass alles gleichgültig oder beliebig ist. Auf der Suche danach, welche Werte in unserer Gesellschaft für ein gutes Miteinander notwendig sind, wünsche ich mir einen respektvollen Umgang miteinander.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=11525
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