SWR4 Abendgedanken BW

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Johannes Reuchlin - ein Kämpfer für Toleranz.
Hat es für Sie irgendeine Bedeutung, wie die Straße heißt, in der Sie wohnen?
Für mich eigentlich schon. Als unsere Straße jetzt umbenannt wurde, da war ich froh darüber, auch wenn das viel Arbeit macht.
Es war nämlich wieder ins öffentliche Bewusstsein gekommen, dass der bisherige Namensgeber den Antisemitismus der Nazis sehr unterstützt hatte.
Jetzt ist also unsere Straße nach Johannes-Reuchlin benannt. Und das ist gut so.
Johannes Reuchlin könnte man den ersten deutschen Humanisten nennen und einen Kämpfer für Toleranz. Seine Botschaft ist auch nach 500 Jahren noch aktuell: Verachtet nichts, nur weil es fremd und anders ist. Lernt es vielmehr kennen!
Johannes Reuchlin wurde 1455 in Pforzheim geboren, er studierte in Freiburg und Paris, wurde ein Kenner der alten Sprachen, Latein sowieso, aber auch Griechisch und vor allem: Als erster Nichtjude lernte er intensiv Hebräisch und gab bald auch eine Einführung in diese Sprache der Bibel heraus. Hebräisch, das war für ihn die heilige Sprache, die Sprache, die Gott selbst gesprochen hat.
Nachdem Reuchlin in Tübingen zum Doktor der Rechte promoviert wurde, trat er in den Dienst der württembergischen Herzöge und wurde ein angesehener Rechtsberater.
1511 wurde er dann - eher gegen seinen Willen - zum Mittelpunkt einer heftigen europaweiten öffentlichen Diskussion. Ein Medienereignis, würden wir heute sagen. Durch die Erfindung des Buchdrucks war es möglich geworden, schnell viele Leute zu erreichen.
Es ging um die Frage, dürfen jüdische Schriften enteignet und verbrannt werden?
Kaiser Maximilian hatte deshalb sieben Gelehrte, darunter eben auch Reuchlin, beauftragt, dazu ein Gutachten zu erstellen. Und Reuchlin war der einzige, der deutlich und entschieden Nein sagte und das vor allem juristisch begründete. Er schrieb:
„Meine Gegner sind entsetzt, weil ich Bürgerrechte für die Juden fordere - doch ich sage, die Juden sind nicht nur unsere Mitbürger, sondern sogar unsere Brüder. Sie und ihr Eigentum haben Anspruch auf Schutz durch das kaiserliche Recht!"
Und er schärfte ein: Verbrennt nicht, was ihr nicht kennt. Lernt es vielmehr kennen und studiert es. Und wenn ihr gute Argumente habt, könnt ihr es ja widerlegen.
Es gab einen langen, heftigen Streit. Seine Gegner hätten Reuchlin gerne als Ketzer verurteilt und verbrannt. Das konnte zwar verhindert werden, aber ihm wurde Stillschweigen auferlegt.
Wenn man heute mit einigem Recht von unserer christlich-jüdischen Tradition sprechen kann, dann hat Johannes Reuchlin entscheidenden Anteil daran.
Und wenn er heute leben würde, dann würde er wahrscheinlich dafür eintreten, dass wir die Schriften des Islam besser kennenlernen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=11450
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