Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Gewöhnliche Menschen können Außergewöhnliches bewirken. Menschen wie Sie und ich! Und das mit nur ganz kleinen Dingen.
Vor 50 Jahren hat sich so etwas ereignet - durch einen Zeitungsartikel oder eigentlich durch einen Trinkspruch. In einem Café in Lissabon haben zwei Studenten auf die Freiheit ange­stoßen. Aber in den sechziger Jahren herrschte in Portugal eine Diktatur. Kritik und Protest waren verboten, auch die Erwähnung des kleinen Wortes „Freiheit". Und so wurden die zwei festgenommen und zu sieben Jahren Haft verurteilt. 1.500 km entfernt in England hat ein 39jähriger Anwalt aus der Zeitung von diesem Vorfall erfahren. Und weil ihm das Schicksal der beiden Studenten nicht mehr aus dem Kopf ging, hat er einen Artikel geschrieben mit dem Titel „Die vergessenen Gefangenen".
„Schlagen Sie Ihre Zeitung an einem beliebigen Tag auf", so begann der Artikel, „und Sie werden lesen, dass ein Mensch eingekerkert, gefoltert, hingerichtet worden ist, wegen seiner politischen Ansichten oder seiner religiösen Überzeugung." Und der Artikel endete mit einem Appell „for Amnesty". Einem Aufruf an die Leser der Zeitung, ihre Stimme zu erheben und an die Regierung zu appellieren, die politischen Gefangenen freizulassen. Dieser Appell vor 50 Jahren ist der Anfang von Amnesty International, einer Organisation, die seitdem weltweit gegen die Verletzung von Menschenrechten kämpft - damals wie heute mit friedlichen, aber äußerst wirkungsvollen Mitteln: mit öffentlichen Berichten und Protestschreiben an die Regierungen. Wie viele Menschen vor 50 Jahren das Protestschreiben gegen die Verhaftung der beiden Studenten unterschrieben haben, weiß ich nicht. Auch nicht, ob der Protest damals erfolgreich war. Aber ich weiß, dass Amnesty International heute über 3,2 Millionen Unterstützer in mehr als 150 Ländern hat und viel bewirkt. Im letzten Jahr hat Amnesty in 252 Fällen von willkürlichen Festnahmen, „Verschwindenlassen", Folterungen oder geplanten Hinrichtungen Protestaktionen gestartet und in fast der Hälfte aller Fälle haben sich die Haftbedingungen verbessert, konnte Folter gestoppt werden oder kam es zu Freilassungen.
Verhaftungen, Folter, Hinrichtungen - häufig reicht die Unterschrift eines einzigen Mächtigen, um die Verletzung eines Menschenrechtes anzuordnen. Aber die Geschichte von Amnesty zeigt, dass nicht nur die Mächtigen Macht haben, sondern auch wir ganz normalen Bürger. Auch wir können Außergewöhnliches bewirken und andere Menschen schützen. Manchmal reicht dafür schon unsere Unterschrift

https://www.kirche-im-swr.de/?m=11428
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