Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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„Mama, warum gibt es böse Menschen?", fragte mich meine Tochter vor ein paar Wochen. Und es waren keine Kriegsbilder oder Amokläufe, die sie umgeben haben, sondern das ganz alltägliche Böse: Eine Jungenclique, die auf dem Pausenhof die anderen Kinder von den besten Plätzen vertreibt - mit Drohungen, Beleidigungen und Schlägen. „Das ist doch gemein!" Ja, das ist es.

„Aber warum sind die so böse?" Keine einfache Frage. „Weißt du, manche Menschen denken vor allem an sich. Sie wollen zeigen, dass sie wichtiger sind als die anderen - und deshalb behandeln sie andere schlecht, machen sie klein oder tun ihnen weh."„Aber das darf man doch nicht!" - Nein, das darf man nicht. Und deshalb gibt es bei uns Regeln, Gesetze und Strafen, mit denen Menschen begrenzt werden, die nur an sich denken - und Eltern und Lehrer und Pfarrer, die versuchen ihren Kindern und Schülern beizubringen, was Gut und Böse, was Recht und Unrecht ist. Aber es stimmt eben auch, dass alle Vorschriften und alle Erziehung nichts daran ändert, dass das Böse, das Nur-an-sich-denken im Menschen steckt, in jedem Menschen - nicht nur in den Rowdys auf dem Schulhof oder in Verbrechern. Ich denke, das müssen auch schon achtjährige Mädchen begreifen, damit sie lernen mit dem Bösen umzugehen. Die Bibel sagt: „Das Streben des menschlichen Herzens ist böse von Jugend an" (1. Mose 8,21). Viele Menschen hadern mit dieser Aussage und fühlen sich dadurch klein gemacht. Ich finde sie zutiefst wahr - auch wenn ich auf mich selbst schaue. Ich versuche durchaus gut zu sein. Ich halte mich an die Gesetze, an die 10 Gebote und versuche, für andere Menschen da zu sein. Aber trotzdem ist in mir einiges, was nicht gut ist. Auch ich denke oft zuerst an mich, bin neidisch auf andere oder ärgerlich. Oft kann ich meine selbstsüchtigen Gefühle zum Glück zügeln. Aber ich glaube, dieses An-uns-Selbst-Zuerst-Denken ist in uns drin - das ist es, was die Bibel meint, wenn sie vom bösen Streben unseres Herzens spricht. „Und was kann man dagegen tun?", hat Lena gefragt. Ich glaube, es hilft nur eines: Wissen, dass wir dazu neigen, uns selbst an die erste Stelle zu stellen, und trotzdem die Anderen nicht aus dem Blick verlieren. Mir hilft da ein Wort von Jesus: „Behandelt die anderen so, wie ihr behandelt werden wollt" (Mt 7,12; Lk 6,31). Ich weiß, dass ich es nicht immer schaffe, danach zu leben. Aber ich glaube, wenn wir zusammen es immer wieder versuchen, dann würde unsere Welt ein ganzes Stück friedlicher werden und besser.

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