SWR2 Wort zum Sonntag

SWR2 Wort zum Sonntag

In der Nähe unserer früheren Heimat gab es einen Hügel, wunderschön gelegen.

In vorchristlicher Zeit, so fanden wir heraus, war da oben eine Kultstätte, ein Ort also, an dem Priester - Druiden - ihre Geister und Götter verehrten.

Als dann im 5. Jahrhundert die ersten Missionare in diese Gebiete kamen, wurden diese Stätten zerstört. Sie blieben oft noch heimliche Treffpunkte von Menschen, die den neuen Glauben nicht annahmen oder den alten nicht aufgeben wollten.

Altäre zerstören, fremde Völker missionieren? Vor einer ähnlichen Frage stand das Volk Israel, bevor es in das verheißene Land einzog. Da waren andere Völker und andere Götter im Land, die die Juden ja keinesweg alle vertreiben konnten. Wie aber sollten sie sich als Eindringlinge verhalten? Wie sollten sie ihre religiöse Identität bewahren?

Viele Texte des AT ringen mit dieser Frage. Da heißt es im 5.Buch Mose: Wenn Gott, der Herr, dich in das verheißene Land bringt, dann sollst du an seinen Einwohnern den Bann vollstrecken. Du sollst keinen Bund mit ihnen schließen und keine Gnade gegen sie üben. Ihre Altäre sollt ihr einreißen, ihre Steinmale zerbrechen, ihre Kultpfähle abhauen und ihre Götterbilder verbrennen.

Man muss solche Texte kritisch lesen. Sie klingen radikal, gewalttätig, und ohne den Kontext und Hintergrund sind sie in gefährlicher Weise missverständlich. Dabei haben sie nur eine Botschaft: Der Gott Israels duldet keine Kompromisse, jedenfalls dann nicht, wenn es um seine Einzigkeit geht. Es gibt nur einen Gott, und alle, die sich zu diesem Gott bekennen, werden zu unbedingtem Gehorsam verpflichtet. Begründet wird dieser Anspruch jedoch nicht mit göttlicher Willkür, sondern mit einem Bekenntnis Gottes zu seinem Volk. Denn du bist ein heiliges Volk dem HERRN, deinem Gott. Dich hat ER erwählt zum Volk des Eigentums aus allen Völkern. Nicht, weil du größer wärest als andere Völker, sondern weil er dich geliebt hat.

 Ich höre in diesen Mose-Worten viel Zuneigung, viel Hingabe, aber auch eine gewisse Schärfe.
Gott duldet keine Kompromisse, weil er selber kompromisslos liebt.
Gott liebt dich, Israel. Gott hat dir eine besondere Würde und Größe gegeben.

Im NT wird dieses Bekenntnis aufgenommen und ausgeweitet.
Alle Menschen sind Gottes Eigentum, sagt Jesus. Alle gehören zu seinem heiligen Volk.
Auch die, die es nicht wissen oder die sich von diesem Gott abwenden.

Das ist für mich das erste, Grundlegende. Gott bekennt sich kompromisslos zu den Menschen, zu mir und zu meiner Existenz. Es gibt für mich keinen größeren Trost, keinen stärkeren Halt als diesen. Aber Gott erwartet auch von mir, dass ich seine Liebe erwidere, oder dass ich wenigstens kritisch mit ihm in Beziehung stehe. Ja, Gott liebt, und diese Liebe macht ihn anspruchsvoll, fordernd, aber auch verletzlich. Er möchte mich nicht verlieren - genauso wenig wie Eltern ihr Kind verlieren möchten.

Irgendwie kann ich Gott hier verstehen. Gott ist an dieser Stelle so menschlich, so nah.
Sicher habe ich ihn schon oft enttäuscht, und er war wütend oder traurig darüber.
Aber ich versuche es doch: an ihn glauben, möglichst ohne Kompromisse. Morgens sage ich zu ihm: Dieser Tag gehört dir, Gott, nicht dem Zufall. Im Gespräch mit Menschen, beim Umgang mit dem Geld, beim Arztbesuch - ich lerne es, Gott wenigstens in Gedanken mit hineinzuziehen.

Vielleicht gab es in der Geschichte der Mission die Notwendigkeit, Kultplätze zu zerstören.
Heute sehe ich eher die Notwendigkeit, eindeutig den Gott der Liebe zu bekennen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=11371
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