SWR4 Abendgedanken BW

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Bei einer Veranstaltung während des letzten Evangelischen Kirchentags ins Dresden im Mai habe ich in der Kreuzkirche neben einem Mann gesessen, der aus der Gegend von Bonn gekommen war. Er war etwa 60 Jahre alt und zum ersten Mal in seinem Leben auf einem Kirchentag. In seiner Gemeinde war er einfach einmal mitgegangen zu einer Veranstaltung, bei der auf den Kirchentag vorbereitet wurde. „Dann wollte ich nicht mehr aussteigen, obwohl ich der einzige Mann in der Gruppe war, " sagte er. Und nun ist er von vielem begeistert. Der eigentliche Grund für seine Begeisterung aber war, dass er zusammen mit sieben anderen Personen in einem Haus privat untergebracht war, das die Besitzer einfach so den Kirchentagsteilnehmern überlassen hatten. Jeder bekam einen Schlüssel und konnte kommen und gehen, wie er wollte. Morgens war ein Frühstück gerichtet, sonst stand das ganze Haus allen zur Verfügung. „So etwas habe ich noch nie erlebt, " erklärte der Mann.  „ So viel Vertrauen und eine solche Großzügigkeit habe ich mir gar nicht erklären können."
Als er die Gastgeberin einmal getroffen hat, hat sie auf seine Frage geantwortet: „Unsere Kinder sind aus dem Haus, wir haben Platz. Unsere Kinder haben es als Studenten und Mieter so gut angetroffen, dass wir unseren Gästen ein wenig von dieser Gastfreundschaft zurück geben wollen." Dann hat sie weiter gemeint: „Die Losung des Kirchentags heißt doch: Wo dein Schatz ist, da wird auch dein Herz sein." „ Meine Schätze, " sagt sie, „sind meine Kinder, an die ich täglich denke. Und die haben uns den Rat gegeben, unser Haus zu öffnen für die Gäste."  Außerdem meinte sie: „Ich habe den Eindruck, dass der Kirchentag unserer Stadt Dresden und der Bevölkerung gut tut. Und damit er gelingen kann und viele mit ganzem Herzen dabei sein können, wollen wir das Unsere dazu beitragen. Und mit dem Schatz ist doch sicher nicht nur Geld gemeint, sondern auch Menschen sind ein solcher Schatz."
Das hat mir mein Nachbar auf der Kirchenbank in der Kreuzkirche leise flüsternd erzählt. Eigentlich sollte er auf die Predigt und die Liturgie und den schönen Gesang des Kreuzchors  hören. Aber er war so voll Begeisterung, dass das alles einmal zur Sprache kommen musste. Sein Herz war erfüllt von dieser Erfahrung, die Massen  und die überfüllten Hallen haben ihm gar nichts gemacht. „Ich werde meine Erlebnisse nicht mehr vergessen, und vielleicht komme ich zum nächsten Kirchentag wieder." Mit diesen Worten ist er unvermittelt aufgestanden und hat sich verabschiedet.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=11239
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