Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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„Tu deinen Mund auf für die Stummen und für die Sache aller, die verlassen sind" (Sprüche 31,8)
Steht in der Bibel, im Alten Testament.
Amnesty international macht das. Seit 50 Jahren schon. Tut den Mund auf und spricht für die, die verlassen sind. In Gefängnissen, Flüchtlingslagern und Slums. Ehrenamtliche und Hauptamtliche sprechen  und schreiben Briefe an Minister und Regierungen. „Lasst die Gefangenen frei, die ihr ins Gefängnis gebracht habt, nur weil sie eine andere Meinung haben. Achtet die Menschenwürde - auch bei denen, die sich schuldig gemacht haben."
Jeden einzelnen suchen sie. Nicht nur prominente Gefangene wie Ai Weiwei. Auch Unbekannte wie die Studentin Ayat Al-Qarmezi aus Bahrain. Sie kam ins Gefängnis, weil sie ein kritisches Gedicht gegen den König vorgetragen hatte. Amnesty international schreibt Briefe für sie. Und fordert uns normale Bürger auf, ebenfalls Briefe zu schreiben. Per Post, per Fax oder per E-Mail. Also habe ich eine E-Mail an den König von Bahrain geschrieben.
Was können Briefe schon ausrichten? Fragen viele. Sie können, das haben sie bewiesen. Wenn ein König, wenn ein Staatsoberhaupt innerhalb kurzer Zeit mit zigtausend Briefen und E-Mails wegen eines einzelnen Menschen bombardiert wird - das macht schon Eindruck. Denn jeder Brief sagt ihnen: Die Welt beobachtet euch. Und den Betroffenen sagen sie: Ihr seid nicht allein.
Manchmal sprechen und schreiben sie vergeblich. Wie neulich zum Beispiel. Da wurde im US-Bundesstaat Alabama der geistig behinderte Eddie Duval Powell hingerichtet. Er war des Mordes schuldig gesprochen. Die Briefaktion wurde beendet. Aber der Kampf gegen die Todesstrafe geht weiter.
„Wie hältst du das aus, dauernd mit dem Leiden konfrontiert zu sein?", wird eine Ehrenamtliche von Amnesty international gefragt. Sie sagt: „Wenn ich einen ehemaligen Gefangenen in Freiheit treffe, in seine Augen sehe und seine Stimme höre - dann wird mir ganz schwindelig vor Glück. Wer dieses Privileg jemals erfahren durfte, wird mich verstehen." Und so tut sie weiter ihren Mund auf für die Stummen und für die Sache aller, die verlassen sind.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=11210
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