Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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„Der Staat kann Kinder besser erziehen als die meisten Eltern.“ Hat Ulrich Wickert in einem Interview gesagt. Deshalb ist er dafür, alle Kinder von klein auf, in die Ganztagsschule zu schicken. Wie in Frankreich. Was meinen Sie? Lernen Schüler mehr für ihr Leben, wenn sie den ganzen Tag in die Schule gehen? In Staatsobhut? Ich habe da meine Fragen.
Meine erste: Kennen Sie noch den Spruch? „Wir lernen nicht für die Schule, sondern für das Leben.“ Viele Generationen von Schülern haben diesen Spruch zu hören bekommen, vom alten Rom bis heute. Und viele Schüler hatten ihre Zweifel, dass der Spruch stimmt. Ich glaube, kluge Lehrer wissen das auch, dass sie ihren Schülern oft genug Stoff zumuten, den die ihren Lebtag nicht mehr brauchen werden. Diese Bruchstelle zwischen Schule und Leben bleibt. Ob sie in einer Ganztagsschule verschwindet?
Und es gibt noch eine zweite Bruchstelle zwischen Schule und Leben.
Darum meine zweite Frage: Genauso wie man manches später nicht mehr braucht, genauso gibt es auch vieles, was man in der Schule gar nicht fürs Leben lernen kann. Bei mir war das jedenfalls so. Bildung fürs Leben ist weit mehr als Schulbildung. Und wo lernen Kinder und Jugendliche das, was man hinter Schulmauern nicht lernen kann, wenn sie den ganzen Tag in die Schule gehen? Wann und von wem?
Zwei Beispiele, was ich meine:
Wie steht es mit der religiösen Bildung? Wird die Schule Raum und Zeit öffnen für Kirchen und Religionen? Damit Kinder nicht nur Religionsunterricht haben, sondern religiöses Leben auch praktisch erfahren können. Mit anderen Kindern und auch mit Erwachsenen zusammen, die andere Berufe haben als Lehrer?
Kann die Ganztagsschule sich so weit öffnen, dass man da auch leben lernt, nicht nur Wissensstoff? Werden Lehrer es mehr als bisher schaffen, Lebensbegleiter für ihre Schüler zu sein. Oder ist die Schule damit überfordert?
Zweites Beispiel: Mein Sohn hat sehr viel gelernt für sein Leben im Fußballverein. Dort ist er Kindern aus anderen Schulstufen begegnet. Aus anderem sozialen Umfeld, anderen Nationalitäten. Und er hat seinen Körper erlebt, dass nicht nur der Kopf wichtig ist. Und wie wichtig war das für ihn. Und vor allem: Außerhalb der Schule, da war für ihn Freiheit. Ich bin gespannt, ob die Ganztagsschule das schaffen kann. Darum geht es doch: Um Bildung, damit Kinder freie Menschen werden, nicht nur um Ausbildung, die dem Bedarf des Berufslebens gerecht wird? Bildung ist mehr als Schulbildung. https://www.kirche-im-swr.de/?m=1121
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