Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Entsetzt blickt in diesen Tagen die Weltöffentlichkeit nach Norwegen. Unfassbar, was da vor wenigen Tagen geschah: Ein rechtsextremer Fanatiker zündet im Regierungsviertel in Oslo eine verheerende Bombe und erschießt danach kaltblütig über achtzig Jugendliche eines Ferien-Camps.
In ersten Teilgeständnissen lässt der 32-jährige Norweger eine extreme Islam- und Fremdenfeindlichkeit erkennen, für die er nationalistische, aber angeblich auch religiöse Gründe ins Feld führt. Einmal mehr - und dieses mal auf dem Hintergrund des christlichen Glaubens - wird eine friedliebende Religion pervertiert in blindwütige Gewalt. 
Auf die Bibel kann sich dieser Rechtsradikale gewiss nicht beziehen. Denn der Gott der Bibel ist ein Gott des Lebens und kein Götze des Todes. Er verabscheut Gewalt und auch Fremdenfeindlichkeit. Denn der Gott der Juden und der Christen kommt selbst aus der Wüste und verbündet sich mit einem Nomadenstamm. Abraham, der Urvater des Juden- und des Christentums, so heißt es im Alten Testament „war ein heimatloser Aramäer" (Deuteronomium 26,5). Und darum muss sich Israel immer wieder daran erinnern lassen: „Der Fremde soll bei euch wie ein Einheimischer gelten. Du sollst ihn lieben wie dich selbst. Denn ihr selbst seid Fremde in Ägypten gewesen..." (Levitikus 19,34).
Dieses abscheuliche Verbrechen gebietet höchste Wachsamkeit gegenüber jedem politischen oder weltanschaulichen Fundamentalismus. Religion rührt an den Kern menschlicher Existenz, fragt nach dem Sinn unseres Lebens und übersteigt rein rationales Denken. Darum ist sie so leicht, sie ideologisch aufzuladen. Solchen Abergeistern rechtzeitig Einhalt zu gebieten, ist Pflicht aller Gläubigen. Denn hauchdünn, kaum wahrnehmbar verläuft die Grenze zwischen Fundamentalismus und dem Fanatismus mit seiner Gewaltbereitschaft. Sind aus „Fundis" erst Fanatiker geworden, kommt jede Auseinandersetzung zu spät, prallen alle Argumente einfach ab. Dumpfer Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Ausländerhass sind auch in unserem Land keine Unbekannten. Bert Brecht hat mit seiner Mahnung bis zum heutigen Tag Recht: „Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem dies kroch..." (Bert Brecht, Kriegsfibel 1955).Oslo trägt Trauer. Unser Nachbarland wurde durch diese Untat mit unendlichem Leid überzogen. Unser Mitgefühl und unsere Gebete gehören den leidgeprüften Angehörigen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=11179
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