Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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„Meine Firma hat mich fest übernommen", jubelt der 21-jährige Servicemechaniker Serdar, „ich hab einen Freudensprung gemacht und gleich meine Familie angerufen". Und seine Kollegin Sandra legt nach: „Mir ist ein zentnerschwerer Stein vom Herzen gefallen. Job-Sicherheit ist ein gutes Gefühl..." 
Auch ich freue mich mit den beiden. Und werde gleichzeitig ein wenig nachdenklich: Das klingt ja wie ein Sechser im Lotto. Ist das heute ein Glücksspiel, als junger Mensch mit einer qualifizierten Ausbildung in Festanstellung zu kommen? Viele von Sandras Kolleginnen und Kollegen ziehen eine Niete um die andere, taumeln von einer Befristung in die nächste. Auf so schwankenden Bohlen aber kann man kein Lebenshaus errichten. Wieder andere werden monatelang in Praktikas zum Null-Tarif ausgebeutet oder landen im Niedriglohn. An Partnerschaft, Ehe und Familie ist bei der „Generation Praktikum" nicht einmal entfernt zu denken! Was nützt die qualifizierteste Ausbildung, auf die nun die Politik völlig zu Recht soviel Wert legt, wenn sich beruflich keine Perspektive eröffnet? Da klingt auch der gut gemeinte biblische Ratschlag ziemlich un-cool: „Nimm draußen deine Arbeit auf und bestelle dein Feld, danach gründe einen Hausstand...", so heißt es im Buch der Sprichwörter im Alten Testament (24,22). Schön wär´s! In der Jugendszene in Europa braut sich gerade was zusammen: Fast ohne Hoffnung auf berufliche Zukunft protestiert die Jugend in Athen. In Italien wettern Zehntausende junger Leute gegen befristete Arbeitsverträge. Junge Spanier belagern den Marktplatz in Madrid und fordern „wirkliche Demokratie - jetzt!"  „Paris, wach auf...", skandieren französische Jugendliche auf der „Place de la Bastille". Bei uns ist es vergleichsweise ruhig - doch wie lange noch? Muss es erst zur Revolte kommen, bis die Gesellschaft kapiert, dass die Jugend sich mit ihrem Können, ihrer Phantasie und Kreativität einbringen will, dass sie dafür aber völlig zu Recht ein solides Auskommen und soziale Sicherheit beanspruchen darf? „Job-Sicherheit ist ein gutes Gefühl...", sagt Sandra. Der noch anhaltende Aufschwung würde es erlauben und erfordert es geradezu, junge Menschen als qualifizierte und vollwertige Mitglieder in die Arbeitswelt zu integrieren. Höchste Zeit, mit der Jugend ins Reine zu kommen!

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